Stürmisches Herz
oder deine Frisur in Ordnung bringen oder so was?«
Courtney löste das Band, das ihre langen, braunen Haare zusammenhielt, band es frisch und strich ihr Kleid glatt. »Fertig.«
Mattie lachte. »Das wird wohl reichen. Deine alten Kleider sehen immer noch besser aus als mein bestes Baumwollkleid.«
Courtney errötete leicht. Sie war immer noch auf die Garderobe angewiesen, die sie vor vier Jahren besessen hatte, als sie nach Rockley gekommen war. Sie hatte die Kleider inzwischen zwar enger machen und die Säume auslassen müssen, aber es mußte gehen.
Allerdings paßten Courtneys alte Kleider aus Seide, Musselin, Crêpe de Chine und Mohair, die Spitzenkragen und die Umhänge aus Samt überhaupt nicht nach Rockley. Courtney haßte es, aufzufallen, und ihre Kleider bewirkten zu ihrer Verzweiflung genau das Gegenteil – sie fiel den Männern auf.
Rockley war eine kleine Stadt, in der es nur wenige heiratsfähige junge Frauen gab, deshalb hatten in den letzten beiden Jahren mehrere Männer ernsthaft um sie geworben.
Als der junge Schmied Richard sie bat, ihn zu heiraten, war sie so überrascht, daß sie ihm beinahe um den Hals gefallen wäre. Ein echter Heiratsantrag – und sie hatte schon geglaubt, daß sie eine alte Jungfer werden würde. Aber der Schmied liebte sie nicht, sondern wollte nur eine Frau haben. Sie liebte ihn auch nicht, genauso wenig wie Judd, Billy oder Pearce, die sie alle heiraten wollten. Und ganz bestimmt liebte sie ihren neuesten Verehrer Reed Taylor nicht. Er war allerdings davon überzeugt, daß er sie erobern würde.
»Hast du jemals von einem Mr. Chandos gehört, Mattie?«
Courtney wußte nicht, warum ihr die Frage entschlüpft war. Mattie antwortete nachdenklich: »Ich glaube nicht. Er klingt wie ein Name aus unserem Geschichtsunterricht, und dazu ein bißchen spanisch. Warum fragst du?«
»Aus keinem besonderen Grund.«
Doch damit ließ sich Mattie nicht abspeisen. »Komm schon, woher hast du den Namen?«
»Er hat heute früh ein Zimmer im Hotel genommen. Ich wollte nur wissen, ob du ihn vielleicht vom Hörensagen kennst.«
»Wieder so ein Revolvermann?«
»Er sieht so aus.«
»Wenn er älter ist, kannst du Charley oder Snub nach ihm fragen. Sie kennen alle Revolvermänner, vor allem die mit dem schlechtesten Ruf. Und du weißt doch, wie gern sie tratschen.«
»Er ist nicht sehr alt, höchstens fünf- oder sechsundzwanzig.«
»Dann werden sie dir wahrscheinlich nicht sagen können, wie viele Männer er getötet hat.«
»Mattie! So etwas hat mich noch nie interessiert!«
»Warum hast du dann überhaupt gefragt?« Einen Augenblick später fügte sie hinzu: »Ist er das?«
Courtneys Herz setzte kurz aus, beruhigte sich dann aber wieder. Auf der anderen Straßenseite lehnte einer der beiden Revolverhelden, die kürzlich in die Stadt gekommen waren, an einem Pfosten.
»Nein, das ist Jim Ward«, erwiderte sie. »Er ist gestern gemeinsam mit einem zweiten Mann eingetroffen.«
»Jim Ward? Der Name kommt mir bekannt vor. Stand er nicht auf einem der Steckbriefe, die Wild Bill vergangenes Jahr aus Abilene herübergeschickt hat?«
Courtney zuckte die Schultern. »Ich habe nie begriffen, warum Marshai Hickok uns diese Steckbriefe zusendet. Wir haben in der Stadt noch nie einen Marshai gehabt. Auch wenn Mr. Ward steckbrieflich gesucht wird, gibt es hier niemanden, der ihn verhaften könnte.«
»Das stimmt, aber es ist gut, wenn man weiß, vor wem man sich zu hüten hat«, sagte Mattie.
»Ich hüte mich vor allen Fremden.«
»Das ist klar, aber du weißt, was ich meine. Wenn Harry gewußt hätte, daß Parker gesucht wird, hätte er ihn erschossen, statt ihn nur aus der Stadt zu vertreiben.«
»Erinnere mich nicht daran«, wehrte Courtney ab. »Sarah war monatelang wütend, als sie erfuhr, daß in Hays City jemand tausend Dollar Belohnung für Parker kassiert hat.«
Mattie lachte. »Sarah ist immer wegen irgend etwas wütend.«
Die beiden Mädchen überquerten die Straße, um in den Schatten zu gelangen. Courtney ging nur in die Sonne, wenn sie Wäsche aufhing, aber schon das genügte, damit ihre Haut im Sommer wie Gold schimmerte. Es paßte sehr gut zu ihren honigfarbenen Augen.
Lars Handley lächelte die Mädchen an, als sie seinen Laden betraten. Er bediente gerade Berny Bixler, der die beiden ebenfalls freundlich begrüßte.
In Handleys Laden konnte man alles finden, was man brauchte, vorausgesetzt, es diente praktischen Zwecken. Das einzige, was er nicht verkaufte, war
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