Stürmisches Paradies
die Werkstatt spazieren, so als ob nichts passiert wäre, Alicia. Meinetwegen ist Eric nicht mehr dort. Ich spüre diese Schuld jetzt schon jeden Tag. Es wäre zehnmal mehr, wenn ich wieder in Port Royal wäre, umgeben von all den Erinnerungen.«
»Erics Tod war ein Unfall. Und wenn man irgendjemandem die Schuld geben sollte, dann Jacob. Er ist derjenige, der Eric mitgeschickt hat.«
»Es ändert nichts an den Tatsachen. Eric ist tot, sie alle sind es. Außerdem gehöre ich nicht dorthin. Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht.«
»Nein«, stimmte sie zu und spürte, wie die Verzweiflung sie überkam und sich wie eine dichte Nebeldecke über sie legte. »Das hast du nicht.«
Sein Mund wurde schmal. »Warum hast du dann zugestimmt, mich zu heiraten, wenn du nicht bei mir sein möchtest?«
»Ich hatte nie geglaubt, dass du mit einer Ehefrau an Bord weiterhin als Freibeuter segeln möchtest. Erinnere dich an die Schlacht, die wir erlebt haben. Du hast vier Männer verloren. Hast du dir wirklich vorgestellt, wir würden ein Leben voll solcher Gefahren leben?«
»Ich kann mich um dich kümmern. Ich würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt.«
»Nicht absichtlich. Aber manche Dinge liegen außerhalb deiner Kontrolle. Die Schlacht, während der mein Gedächtnis zurückkam, war schrecklich. Als es vorbei war und wieder Stille herrschte, da hatte ich nicht die geringste Ahnung, ob du noch lebst oder schon tot warst. In meinem Kopf sah ich die Nacht, als ich meine Familie verlor, doch in meinem Herzen malte ich mir dasselbe für dich aus. Ich kann nicht mit dieser Angst leben. Ich habe schon eine Familie auf See verloren, ich will nicht noch eine weitere dort verlieren.«
»Du hast aber keine Familie in Port Royal.«
»Ich habe Charles, und ich habe die Werkstatt.«
Er zuckte zusammen. »Und du sagst, du bist bereit, für eine Schmiedewerkstatt das aufzugeben, was wir beide haben?«
»Wie unterscheidet sich das von dem, was du tust? Liebst du dein Schiff mehr als mich?« Sie seufzte. »Als du mir den Heiratsantrag gemacht hast, da dachte ich, wir würden zurück nach Port Royal gehen und die Werkstatt gemeinsam führen.«
»Wie bist du denn auf diese Idee gekommen?« Jetzt war er es, der ärgerlich hin- und hermarschierte und Luftwirbel verursachte. »Das habe ich nicht ein einziges Mal gesagt.«
»Ich weiß. Ich habe es ja auch bloß angenommen.«
»Zur Hölle«, murmelte Blake und hielt nur lange genug inne, um ihr alle paar Sekunden einen verwirrten Blick zuzuwerfen.
Krächz . »Zur Hölle verdammt. Zur Hölle verdammt.«
Alicia wartete darauf, dass er noch etwas sagte, aber er grummelte bloß unverständlich vor sich hin, rieb sich die Augen und marschierte hin und her. Schließlich hielt er an, und als sich ihre Blicke trafen, sah sie, wie aufgewühlt er war.
»Ich musste diese Wahl schon einmal treffen, verdammt nochmal.«
»Ich weiß. Deshalb bitte ich dich ja auch nicht, sie nochmal zu treffen. Ich weiß, wohin dein Herz gehört, Blake, ebenso wie ich auch weiß, wo meines hingehört. Ich bitte dich nicht, bei mir zu bleiben, noch will ich dich mit irgendwelchen Machenschaften dazu zwingen.«
Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und sein abgehackter Atem erfüllte das Zimmer.
»Du lässt mich gehen?«, wiederholte er. »Nun, wie verdammt großzügig von dir.«
Krächz. »Verdammt großzügig. Verdammt großzügig.«
»Blake -«
»Nein.« Er trat einen Schritt zurück, weg von der Hand, die sie ihm entgegenstreckte. »Nicht.«
Er schob den Stuhl gegen den Tisch. »Du hast deinen Körper mit mir geteilt, hast mir deine Liebe gestanden und zugestimmt, meine Frau zu werden. Und doch gehst du von mir fort? Wenigstens war mein Vater mit seinen Forderungen offen heraus. Er hat mir nie eine Sache versprochen, während er die ganze Zeit lang etwas völlig anderes plante.«
Alicia stemmte sich empört die Hände in die Hüften: »Ob ich will, dass du bei mir bleibst? Ja! Aber ich will nicht, dass du mich deshalb irgendwann hasst. Ich habe Jacob jeden Tag am Strand stehen sehen, sah den Schmerz in seinen Augen und spürte seinen Kummer. Ich will das für keinen von uns. Ich möchte nicht der Grund dafür sein, weshalb du unglücklich bist und möchte nicht jeden Tag daran erinnert werden, dass ein Teil von dir die Entscheidung bedauert, dazubleiben.« Alicia presste sich ihre Hand aufs Herz. »Dafür liebe ich dich viel zu sehr.«
»Du liebst mich?«, spie er ihr entgegen. »Du hast zugestimmt,
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