Stürmisches Wiedersehen auf Maynard Manor (German Edition)
tröstete Chloé ihn. Doch als ihr Blick beim Auflegen in den Spiegel fiel, stellte sie beschämt fest, dass sie kein bisschen enttäuscht wirkte.
Beim Frühstück am nächsten Morgen stellte sie betont beiläufig fest: „Ich sollte endlich Mrs Maynards Sachen bügeln und sie ihr zurückbringen. Fast hätte ich das vergessen.“
„Ich nicht“, hatte ihre Tante gelassen erwidert und eine Scheibe Toast mit Butter bestrichen. „Ich habe die Sachen gewaschen, und dein Onkel hat sie vor ein paar Tagen zurückgebracht.“
Den Blick auf ihren Teller gerichtet, hatte Chloé ihre Enttäuschung zu verbergen versucht.
Doch jetzt, viele Jahre später, war ihr klar, dass ihre Tante mit ihrem Handeln Weitblick bewiesen hatte und sie nur vor der ersten großen Gefahr beschützen wollte, die es in Chloés Leben gegeben hatte.
Tante Libby hat es begriffen, dachte Chloé. Warum war ich dazu nicht in der Lage?
Doch nun ist es zu spät, passiert ist passiert, fügte sie zitternd in Gedanken hinzu. Und sie musste mit den Konsequenzen leben.
8. KAPITEL
Am Tag des Geburtstagsballs waren Chloés Nerven so angespannt, dass sie sich fast wünschte, ebenfalls eine Gürtelrose zu bekommen, damit sie abends zu Hause bleiben könnte.
Doch das Kleid sah an ihr nun noch besser aus als im Laden, und sie hatte sich die dunklen Locken mit zwei silberfarbenen Kämmen hochgesteckt.
„Du siehst bildhübsch aus“, sagte Onkel Hal, als sie nach unten kam. „Findest du nicht auch, Libby? Die Ballkönigin höchstpersönlich!“
Ihre Tante, die in ihrem schlichten schwarzen Kleid und dem hüftlangen paillettenbesetzten Blazer sehr elegant aussah, lächelte liebevoll und nickte. Falls sie noch immer besorgt war, so verbarg sie das gut.
Den Ballsaal von Maynard Manor betrat man durch einen großen Wintergarten, in dem Sir Gregory die ankommenden Gäste begrüßte. Andrew Maynard stand neben ihm. Seine formelle Abendgarderobe verstärkte sein etwas steifes Auftreten noch, sodass er fast wie ein Soldat bei einer Militärparade wirkte.
Penny, die in ihrem fuchsiafarbenen Etuikleid und mit der aufwendigen Hochsteckfrisur einfach hinreißend aussah, lächelte zwar, doch man merkte ihr die starke Anspannung an. Von Darius war keine Spur zu sehen.
Schüchtern begrüßte Chloé die Hausherrin. Penny erwiderte den Gruß nickend und rief dann einen jungen Mann herbei. „Laurence, das ist Chloé Benson, die Tochter unseres Tierarztes. Es ist ihr erster Ball. Bitte sorge doch dafür, dass sie ein paar Leute in ihrem Alter kennenlernt.“
Laurence wirkte nicht gerade begeistert über die Aussicht, den Babysitter spielen zu müssen, und auch Chloé hatte sich eine andere Einführung erhofft. Das war wohl sehr albern von mir, dachte sie, als sie Laurence widerstrebend folgte.
Als sie sich zu einer Gruppe gesellten, ließ ein Mädchen den Blick abschätzig über Chloés Kleid gleiten und sagte: „Ich wusste gar nicht, dass wir hier auf einem Faschingsball sind.“ Die anderen kicherten unterdrückt.
„Das ist Chloé Benson“, verkündete Laurence. „Sie ist aus dem Ort.“
„Ach wirklich?“ Eins der Mädchen zog die Augenbrauen hoch. „Auf St. Faiths warst du aber nicht, oder?“
Nein, die teure Privatschule in der Nähe von East Ledwick hatte Chloé nicht besucht. „Ich bin auf die Freemont Highschool gegangen.“
„Ah, verstehe.“
„Dachtest du, dass man sich für den Ball verkleiden muss?“, fragte nun das Mädchen, das zu Beginn die spöttische Bemerkung gemacht hatte.
Chloé errötete leicht, hob dann kämpferisch das Kinn und erwiderte: „Nein, und du?“ Sie ließ den Blick über die junge Frau gleiten und gab ihr zu verstehen, dass scharlachroter Taft nicht unbedingt die schmeichelhafteste Wahl war, wenn man einige Kilo Übergewicht hatte.
Eine junge Frau mit braunem Haar und übermütig funkelnden Augen kam einen Schritt näher. „Ich heiße Fran Harper“, stellte sie sich vor. „Und ich finde, dass du toll aussiehst. Im Speisesaal gibt es ganz wunderbare Bowle. Komm, wir holen uns welche.“
Als sie gemeinsam losgingen, fügte sie leiser hinzu: „Kümmere dich nicht um Judy und Mandy. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund finden sie beide Laurence toll, und jetzt empfinden sie dich als Bedrohung.“
„Dafür gibt es keinen Grund. Mrs Maynard hat uns einander aufgezwungen. Wahrscheinlich wollte sie einfach nett sein.“
„Als mildtätig habe ich sie noch nie erlebt“, antwortete Fran. „Für mich war sie immer eine
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