Stürmisches Wiedersehen auf Maynard Manor (German Edition)
Ich sollte nicht so pathetische Worte gebrauchen, dachte sie. Schließlich hat mir die Sache mit Darius nicht das Herz gebrochen. Ich habe lediglich auf schmerzliche Weise gelernt, das Echte vom Schein zu unterschieden .
Doch Chloé musste feststellen, dass diese alte Wunde noch nicht verheilt war. Denn die Erinnerung daran, wie Darius sie nach Hause gefahren hatte, während ihr Körper vor Verlangen vibrierte und ihr die Hände zitterten, schmerzte noch immer. Sie hatte Darius leise gebeten, sie am Anfang der Straße aussteigen zu lassen.
Darius tat es, doch ein ironischer Zug lag um seinen Mund. Als sie mit bebenden Fingern ihren Gurt lösen wollte, tat er es für sie. Dann strich er ihr sanft über die Wange und sagte: „Ich melde mich.“
„War die Teestunde auf Maynard Manor schön?“, fragte Tante Libby.
Chloé erwiderte ihren aufmerksamen Blick so gelassen, wie sie konnte. „Ja, Mrs Maynard war sehr nett, sie hat mir saubere Kleidung ausgeliehen.“ Sie überreichte ihrer Tante den großen Umschlag. „Und sie schickt euch das hier.“
Die ältere Frau zog die Augenbrauen hoch, als sie die Einladung las. „Du bist also auch eingeladen. Aber bestimmt möchtest du ja nicht hingehen.“
„Warum?“
„Wenn ich mich recht erinnere, hast du dir den Geburtstagsball noch vor nicht allzu langer Zeit als eine grauenhaft langweilige Veranstaltung vorgestellt, bei der sich eine Handvoll komischer alter Käuze zur Musik im Kreis dreht.“
Chloé errötete. „Ach ja, stimmt. So habe ich es mir vorgestellt – damals.“
„Aber jetzt bist du aus irgendeinem Grund anderer Meinung?“ Libby Jackson sah ihre Nichte durchdringend an.
„Wahrscheinlich wird das meine einzige Gelegenheit sein, zu dem Ball zu gehen und mir eine Meinung zu bilden.“ Chloé rang sich ein Lächeln ab. „Wenn ich erst mal studiere, muss ich in den Ferien bestimmt arbeiten und kann nicht viel hier sein.“
„Das stimmt wohl“, stimmte Libby ihr nachdenklich zu. „Also gut, dann nehme ich die Einladungen für uns alle an. Du wirst natürlich ein Kleid brauchen.“
„In East Ledwick kann man sich Ballkleider ausleihen“, sagte Chloé schnell. „Und dann gibt es ja auch noch die Secondhandläden.“
„Wie ich sehe, hast du schon alles durchdacht“, stellte ihre Tante trocken fest.
Als sie ein paar Tage später nach East Ledwick fuhren, um ein Kleid für Chloé auszuleihen, ließ die Besitzerin des Ladens nur kurz den Blick über sie gleiten und nickte dann. „Schöne schlanke Figur, hohe Taille. Ich glaube, ich habe das perfekte Kleid für Sie.“
Sie ging in den hinteren Teil des Ladens und kam mit einer zarten Wolke hauchfeinem, silbern durchwirktem Stoff wieder.
„Angeblich war die neue Verfilmung von ‚Stolz und Vorurteil‘ die Inspiration zu diesem Kleid“, erklärte sie. „Ich finde es wunderschön.“
Als Chloé es anprobierte und sich im Spiegel betrachtete, konnte sie nur zustimmen. Das Kleid war schmal geschnitten, der Rock knöchellang. Die Ärmel waren kurz, und das Miederoberteil gab einen verführerischen und dennoch züchtigen Einblick ins Dekolleté.
„Genau wie Elizabeth Bennet.“ Die Verkäuferin lächelte und wandte sich dann an Libby Jackson. „Gibt es einen Mr Darcy, der auf einen Tanz mit ihr hofft?“
„Nein“, entgegnete Chloés Tante energisch. „Solche Männer gibt es ja nur in Romanen. Aber das Kleid ist wirklich entzückend und bestimmt das Schönste, das wir finden können. Wir nehmen es.“
Nachdem sie in einem Schuhgeschäft ein paar günstige silberfarbene Ballerinas gefunden hatten, fuhren sie nach Hause. Chloé war so in Hochstimmung, dass ihr Libbys ungewöhnliche Schweigsamkeit gar nicht auffiel.
Kurz bevor sie zu Hause ankamen, sagte ihre Tante: „Wenn Ian das nächste Mal anruft, solltest du ihn bitten, am Wochenende des Balls nach Willowford zu kommen. Bestimmt wird Mrs Maynard uns auch für ihn eine Einladung schicken.“
Perplex sah Chloé sie an. „Aber er kann sich doch gar keine Wochenenden freinehmen!“
„Einen Versuch wäre es sicher wert.“ Mit einem kurzen Seitenblick fügte Tante Libby hinzu: „Vorausgesetzt, du möchtest, dass er mit zum Ball geht.“
„Natürlich möchte ich das“, versicherte Chloé sofort. „Ich werde ihn gleich heute Abend anrufen.“
Doch als sie es tat, erwiderte Ian auf ihren Vorschlag: „Keine Chance. Wir sind ohnehin gerade unterbesetzt, weil Craig eine Gürtelrose hat.“
„Es war ja auch nur eine Idee“,
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