Stummer Zorn
wie man sein Haarband bindet - für seinen Freund. Wenn man anderer Meinung war als er, sollte man die Klappe halten. Es sei denn, es ging darum, ob er einem unter den Rock gehen durfte. Dann, und nur dann durfte man widersprechen. Deshalb mußte man immer Kleingeld in der Tasche haben, um daheim anzurufen, wenn er einen aus dem Auto warf, weil man sich gewehrt hatte."
Das war die Frau, die vier Paar weiße Handschuhe aufgehoben hatte? „Den Zeitschriften nach zu urteilen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, würde ich sagen, da hat sich einiges geändert", sagte ich milde.
„ja, vielleicht. Aber diese alten Traditionen wird man nie ganz los. Man muß ständig dagegen ankämpfen." Mimi schrubbte den Topf, den sie in der Hand hatte, als kämpfe sie tatsächlich dagegen. „Ich konnte sie einfach nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten, genau wie Ziergras, wenn man zuläßt, daß es den Garten überwuchert. Man jätet es an einer Stelle, und es wächst an einer anderen neu. Beruhigen, manipulieren, nie widersprechen. Außerdem verzeihen, verzeihen, verzeihen! Das ist wie der Kniesehnenreflex!"
„Ja, aber du weißt, was man beim Kniesehnenreflex macht, oder? Man schlägt nach dem Kerl mit dem Hammer!"
Das brachte sie zum Lachen. Aber ich sah immer noch Spuren des Bedauerns um ihren Mund, als ich mich an den Schreibtisch setzte, um zu lernen. Ich hatte gewußt, daß die beiden Aspekte Mimis miteinander im Clinch lagen, aber so intensiv hatte ich es noch nie werden sehen. Ich machte mir Sorgen um sie. Aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß Mimi mit wie immer sagen würde, was in ihr vorging, wenn sie es für richtig hielt. Ich war nicht sicher, ob sie auf sich oder jemand anderen wütend war. Wohl beides.
Um etwa zwanzig Uhr dreißig rief Barbara an. „Ich konnte es dir heute nachmittag nicht sagen, aber Jeff Simmons' Blutgruppe ist AB", verkündete sie. „Ich habe dreißig Minuten gebtaucht, um das Gespräch einigermaßen unauffällig auf Blutgruppen zu bringen."
„Da waren's nur noch vier", sagte ich langsam. „Ich dachte, du hättest vielleicht von Sarah Chase Theos erfahren."
„Das hätte ich als Mißbrauch der Gastfreundschaft empfunden", antwortete Barbara. „Wenn wir sie nicht daheim getroffen hätten, hätte ich gefragt. Aber so habe ich es einfach nicht über mich gebracht."
„Ich verstehe", sagte ich. Aber ich fragte mich, ob wir je vorankommen würden, wenn wir uns von kleinen Skrupeln aufhalten ließen. Ich hörte Mimi über mir in ihrem Schlafzimmer umhergehen.
„Bist du wirklich entschlossen?" fragte Barbara plötzlich.
„Ich habe mich gerade gefragt, ob ich dir diese Frage stellen soll."
„Es wird immer schlimmer, je weiter wir kommen, oder? Manchmal habe ich es satt, so wütend zu sein. Manchmal will ich das alles nur irgendwo verstauen. Aber wenn ich mich dann wirklich erinnere ..."
„Ich weiß." Ich holte tief Luft. „Sollen wir weitermachen?" Ich wußte wirklich nicht, wie ich dazu stand. An manchen Tagen, in manchen Augenblicken war ich begeistert dem Täter auf der Spur. Im nächsten Moment war ich deprimiert und wollte das alles nur irgendwo verstauen, wie Barbara gesagt hatte, und mit dem Vergessen beginnen.
„Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht."
„Vielleicht sollten wir es zu Ende bringen", sagte ich.
„Wie man den Teller leer ißt, auch wenn es nicht geschmeckt hat?" Barbaras Stimme klang leicht amüsiert.
Vielleicht war ich kindisch und stur. Ich nahm die Lesebrille ab und rieb mir die Augenlider. Ich suchte nach einem Prinzip, auf dem ich eine Entscheidung aufbauen konnte. Statt dessen fiel mir Mimi ein, die mir diese ständige Belagerung durch Furcht und Argwohn immer mehr entfremdete. Wenn Barbara und ich irgendwie bewiesen, daß Mimis Vater oder der Mann, den sie liebte, ein Vergewaltiger und Mörder war, wäre das der Sargnagel für unsere Freundschaft. Wenn andererseits (und ich rieb mir die Augen, bis ich Lichtblitze sah) Theo oder John Tendall Mimi angreifen sollten — schließlich war sie derselbe Typ Frau ...
Dann dämmerte mir etwas, aber ich ließ es mir entgleiten, während ich meinen ursprünglichen komplizierten Gedankengang weiter verfolgte.
... und wenn sie vergewaltigt würde, dann ...
So fand ich mein Prinzip. „Andere Frauen", sagte ich knapp.
„Klar", antwortete Barbara. „Wie könnten wir damit leben, nichts getan zu haben?"
„Dann ist das also geklärt." Ich war nicht gerade froh über unsere abschließende
Weitere Kostenlose Bücher