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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Blutgruppe haben. Was für eine Blutgruppe hatte der Junge, der dir das erzählt hat, Nickie?"
    „Ich weiß nicht", bekam ich heraus, während ich mich immer schlechter fühlte.
    „Schauen wir mal ...", sagte Don, dessen Gabel mitten in der Luft hing. Elaine wartete geduldig. Ihr Gesicht wandte sich ihm mit augenscheinlichem Interesse zu. „Ich glaube, ich gehöre einfach zur guten alten Blutgruppe 0, bin also Universalspender", befand Don. Also muß Orrin zu einer anderen gehören, da 0 dem Krankenhaus sicher nicht ausgehen würde." Er war wirklich trautig über die verpaßte Gelegenheit, seinem Freund zu helfen. Mein Mut sank. Noch einer mit Blutgruppe 0.
    „Tun wir das nicht alle?" fragte Cully. „Ich jedenfalls ganz sicher."
    „Oh, es ist so lange her, daß ich euch beide auf die Welt gebracht habe, und seither habe ich meine Blutgruppe nicht mehr bestimmen lassen", überlegte Elaine. „Euer Papa und ich mußten uns um den Rhesusfaktor kümmern. Wißt ihr, das Baby kriegt Probleme, wenn der bei den Eltern unterschiedlich ist."
    Mimi nickte, um zu zeigen, daß sie zuhörte, wirkte aber leicht gelangweilt. Dann erhellte sich ihre Miene. „Charles", sagte sie fröhlich, „kann kein Blut spenden. Er wird bei dem bloßen Anblick ohnmächtig. 1 " Es schien sie zu freuen, auch nur seinen Namen sagen zu können.
    Während der unvermeidlichen Kommentare, die diese Macke Charles' hervorrief, sagte ich mir schnell, daß, selbst wenn Don Blutgruppe 0 hatte, dasselbe auch immer noch für John Tendall galt. Theo wahrscheinlich auch. Aber diese Macke schloß Charles als Vergewaltiger aus. Wir alle hatten dabei geblutet.
    Nur um sicherzugehen fragte ich: „Nur bei seinem eigenen Blut, Mimi? Oder generell?"
    „Oh, generell. Das ist ihm schon seit Jahren peinlich, weil er so gerne jagt, und wenn sich jemand auch nur schneidet, mit dem er unterwegs ist, muß Charles wegschauen."
    Warum zum Teufel hatte Mimi mir das nicht schon früher erzählt, statt all den Hokuspokus zu veranstalten und mich schwören zu lassen, Cully nicht zu sagen, daß wir Charles verdächtigt hatten? Dann begriff ich. Sie hatte diese Macke Charles' so un reflektiert ausgeplaudert, daß ich nur annehmen konnte, daß sie selbst die Verbindung zwischen Charles' Abneigung gegen Blut und seiner sicheren Unschuld noch nicht gesehen hatte. Zuvor hatte sie eine andere entlastende Tatsache im Kopf gehabt, etwas, das sie geheimhalten wollte. Natürlich war das Ergebnis dasselbe; Barbara und ich konnten Charles von unserer Liste streichen. Da waren's nur noch drei, und einer davon war Don. Die Wahrscheinlichkeit, daß er der Vergewaltiger war, war gerade sprunghaft gestiegen.
    Als Mimi und ich den Tisch abräumten, versuchte ich, an nichts zu denken. Ich konnte gerade ausreichend am Gespräch teilnehmen, daß meine Abgelenktheit nicht auffiel. Aber nach einer Stunde, als wir alle im Wohnzimmer saßen und Elaine Kaffee und Nachtisch brachte, bestand eine schreckliche logische Schlußfolgerung darauf, sich in meinem Geist breitzumachen.
    Mimi hatte — kurz und warum auch immer — gedacht, Charles könne der Vergewaltiger sein. Also traf sie sich nicht mit ihm. Jetzt tat sie es wieder. Also war er nicht der Vergewaltiger; Mimi sagte, sie wisse, daß er unschuldig sei.
    Woher wußte Mimi, daß er nicht der Vergewaltiger war?
    Sie wußte, wer es war.
    Aber warum verschwieg sie es? Wen um alles in der Welt würde Mimi vor einer solchen Anschuldigung schützen?
    Ihren Vater Don.
    Der gesamte Raum verschwamm, doch ich fing mich wiedet. Ich spürte Schweiß auf meinen Handflächen ausbrechen. Mit lautem Klirren stellte ich die Kaffeetasse ab. Elaine sah mich tadelnd an, ehe sie ihr Gespräch mit Mimi wieder aufnahm. Sie wußte nicht, was für ein Glück sie hatte; ich hätte beinahe die Kaffeetasse samt Kaffee auf den Teppich fallenlassen. Mit einer gewaltigen Willensanstrengung riß ich mich zusammen. Ich warf Don einen raschen Blick zu, der mir gegenüber neben Mimi auf einem Zweisitzer Platz genommen hatte.
    Ich dachte schnell und verzweifelt nach. Ich puhlte in der offenen Wunde herum und versuchte, mich zu erinnern. Versuchte, Splitter zu entfernen, damit die Wunde sich schließen konnte. Woran erinnerte ich mich? Ich hatte der Polizei gesagt, ich wisse nichts über meinen Angreifer. Ich hatte ihn nicht gesehen. Aber ich mußte mich doch an irgend etwas, irgend etwas anderes erinnern können, etwas, das Don ausschließen würde. Gut. Jetzt beruhige dich.

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