Stunde der Vergeltung (German Edition)
dann noch schalten?«
»Halten Sie die Schnauze und strecken Sie die rechte Hand aus. Lassen Sie die Linke am Lenkrad, wo ich sie sehen kann, sonst blase ich Ihnen sofort das Hirn weg.«
Val hielt sie hoch. Mit einer Hand legte Hegel ihm eine Handschelle an, mit der anderen bohrte er die Mündung seiner Pistole in Vals Hals.
Ein Handy piepte. Eine eingehende SMS. Nicht seins.
Hegel grunzte erfreut. »Der Kerl kommt schnell zur Sache.«
Val überkam eine düstere Vorahnung, und sein Magen drehte sich um. »Soll heißen?«
»Soll heißen, dass Georg inzwischen ganz scharf drauf ist, sie zu ficken. Eifersüchtig?« Hegel schmunzelte. »Dieser verdammte Wichser hat mir gerade seine Zimmernummer geschickt. Er braucht Publikum, und ich bin der glückliche Gewinner. Meine Belohnung, weil ich euch beide geschnappt habe. Vielleicht gewährt er mir sogar selbst einen kleinen Ritt, wenn er fertig ist. Er genießt es ebenso sehr, den Zuschauer zu mimen, wie Zuschauer zu haben, und er wird in großzügiger Stimmung sein, wenn er erst mal abgespritzt hat. Oh, Mann, wie gern würde ich diese geile Mieze zum Miauen bringen … «
Blitzschnell und mit einem Energiestoß, der sein bewusstes Denken weit überstieg, schmetterte Val die leere Handschelle in Hegels Gesicht. Reflexartig warf er sich zur Seite, als sich im selben Moment ein Schuss löste.
Die Kugel verfehlte ihn nur knapp. Die Windschutzscheibe zerbarst. Val legte mit einem Ruck den Rückwärtsgang ein und beschleunigte heftig in Richtung der tiefen, felsigen Senke hinter ihnen. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Hegel brüllte. Val duckte sich, als die Waffe ein weiteres Mal abgefeuert wurde. Ein Loch klaffte im Armaturenbrett. Füllmaterial quoll neben Vals Schulter aus dem Sitz. Rumpelnd und holpernd rasten sie rückwärts …
Sie kippten. Mit einem lauten Rums landete das Auto mit dem Hinterteil in der Senke. Scheppernd stürzte es auf die Seite. Glas zerbarst, Metall kreischte. Vals Knochen wurden nahezu aus den Gelenken gerissen.
Sobald er sich sicher sein konnte, noch am Leben zu sein, stieß er die verzogene Fahrertür auf und taumelte über Geröll hinweg ins Freie. Seine Beine waren schwach und zittrig. Er ließ sich hinter einen großen Felsbrocken sinken und wappnete sich gegen den Kugelhagel, der jeden Moment aus den zerbrochenen Wagenfenstern auf ihn niedergehen konnte. Heißes Blut rann ihm übers Gesicht.
Stille.
Der Laptop. Die Videoaufnahmen. Imre. Scheiße, nein .
Val pirschte sich näher an den Wagen. Keine Bewegung, kein Geräusch. Er spähte ins Innere. Hegel kauerte bewusstlos in seinem Sitz. Aus einer Aufprallwunde an seiner Schläfe strömte Blut, es sickerte über sein Gesicht, seinen Hals.
Vals Knie wurden weich. Eine Sekunde lang durchströmte ihn ohnmächtige Erleichterung, ehe er sich aufraffen und wieder in Bewegung setzen konnte. Tam. Er musste sie retten.
Er kletterte auf das Auto und stieg durch die offene Tür ein. Als Erstes schnappte er sich den Laptop. Er schien intakt zu sein, Gott sei Dank. Anschließend glitt er auf den Rücksitz und tastete nach Hegels H&K und seinem Handy. Beide waren glitschig vom Blut. Er durchwühlte die Taschen des Mannes, bis er ein volles Magazin fand, und steckte die Waffe in seinen hinteren Hosenbund. Dann klappte er das Handy auf und suchte die Kurznachricht.
348. Eine Zimmernummer, es sei denn, es wäre ein Code. In dem Fall würde er jede einzelne Tür im Hotel aus den Angeln reißen, bis er die beiden fand.
Er musterte Hegels blutendes Gesicht und legte die Finger an den dicken Hals des Mannes. Sein Puls war kräftig. In einem fairen Kampf hätte er Hegel ohne Skrupel getötet, doch die Vorstellung, einen Bewusstlosen zu erschießen, verabscheute er.
Vergiss ihn . Val würde es einfach dem Schicksal überlassen. Imre würde wahrscheinlich behaupten, dass Vajda plötzlich sein Gewissen unter dem zwei Tonnen schweren Felsen entdeckte, unter dem er es versteckt hatte. Er richtete sich auf und sprang aus dem Autowrack. Es schwankte und ruckelte. Keuchend starrte er es an, den Laptop fest im Arm.
Er brauchte eine andere Transportmöglichkeit.
Wie als Antwort auf seine Gebete kam in diesem Moment ein pickliger Jugendlicher auf einem Motorroller um die Kurve geknattert. Er bemerkte das ramponierte Auto und den blutüberströmten Val, der taumelnd auf der Straße stand, und hielt schlitternd an.
» Hai bisogno di aiuto? «, rief er mit aufgerissenen Augen.
Natürlich brauchte er Hilfe. »
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