Stunde der Vergeltung (German Edition)
die Augen zusammen. »Den Trick hast du schon mal bei mir versucht.«
»Und er hat funktioniert.«
»Jetzt bin ich vorgewarnt. Er wird nicht wieder funktionieren.«
»Doch, das wird er«, widersprach er ruhig. »Weil es dieses Mal kein Trick ist. Ich kenne dich jetzt, Tamar. Du wirst mich nicht erschießen. Leg die Waffe weg.«
Beklemmend und spannungsgeladen rannen die Sekunden dahin. Der Regen toste – ein gewaltiges diffuses Rauschen, das sie von allen Seiten umgab. In weiter Ferne ertönte ein polterndes Donnergrollen.
Kristallklare Tränen schossen Tam in die Augen und funkelten in der zunehmenden Finsternis. »Fahr zur Hölle«, wisperte sie.
Val schob den Pistolenlauf von seinem Kinn weg, dann nahm er ihr die Waffe widerstandslos aus der Hand und steckte sie zurück in ihre Handtasche. Er legte die Tasche behutsam auf den Boden und streckte die Arme nach Tam aus.
20
Selbstverständlich wehrte sie sich. Sie konnte nicht anders. Es war ein der Gewohnheit geschuldeter Automatismus. Doch ihr Kampf war in Wahrheit die wilde Suche nach einem Ventil für die Energie der Verzweiflung, die in ihr tobte. Sie kämpfte an gegen ihr überwältigendes Verlangen nach ihm, dagegen, wie sehr sie ihn zu brauchen begann. Sie kämpfte gegen diese schmerzhafte Sehnsucht an, die ihr vor Angst die Knie schlottern ließ.
Und sie wollte ihn nicht nur wegen seiner Schönheit, seiner Stärke, seinem fabelhaften Schwanz. Tam verzehrte sich nach seinen Küssen, diesem lebensspendenden Elixier, sie wollte seine grenzenlose Wildheit erforschen und sich in ihm verlieren. Sie wollte ihn verschlingen, ihn aufsaugen, ihn in sich aufnehmen. Sie wollte von ihm verschlungen werden.
Dieser dickköpfige Mistkerl. Sie war wütend auf ihn, weil er sich in Bezug auf Georg so uneinsichtig verhielt, und gleichzeitig so mitleiderregend dankbar, dass er sie davor bewahrt hatte, dieses Gift zu trinken. Er hatte sie gerettet. Vor Georg, vor sich selbst. Wie konnte er es wagen.
Val drängte sie gegen die Wand und zwang ihre Arme auf den Rücken, aber aus unerfindlichen Gründen machte seine hitzige, barbarische Energie sie nicht wütend. Tam hatte dieses kriegerische Eroberungsgebaren schon früher bei ihren Liebhabern erlebt, und es hatte sie stets heimlich amüsiert. Niemals in Versuchung geführt. Niemals erregt. Es war bloß eine weitere Schwäche, die sie ausnutzen konnte. Tam hatte mit der Eitelkeit der Männer gespielt, mit ihren Illusionen über sich selbst, und sie nach ihrer Pfeife tanzen lassen, wenn sie sich überhaupt länger mit ihnen befasst hatte. Es waren Marionetten gewesen. Clowns. Stinklangweilig.
Aber Val war keine Marionette. Er war keine Illusion, kannte keine Eitelkeit. Val tanzte nach keiner anderen Pfeife als nach seiner eigenen. Und Tam fühlte sich alles andere als gelangweilt.
Er würde sie aufs Bett werfen und nehmen, und sie konnte es nicht erwarten. Sie würde explodieren, in Flammen aufgehen. Sie brauchte Vals köstlichen, heißen Duft, um die Erinnerung an Georgs bitteren Gestank zu vertreiben, an seinen sauren Atem, den feuchten, brutalen Druck seiner Hände. Nach dem heutigen Albtraum sehnte sie sich wie verrückt danach, aber sie konnte einfach nicht … aufhören … zu kämpfen. Ihre Muskeln zitterten wie unter einem elektrifizierenden Zwang.
Janos hielt sie in seinen starken Armen gefangen, sodass sie sich nicht bewegen konnte, und presste ihren Körper gegen die Wand. »Sag mir, dass du mich willst«, verlangte er.
Tam blinzelte verwirrt. »Was?«
»Sag mir, dass du mich willst«, wiederholte er ungeduldig. »Ich traue mir nicht zu, in dich hineinzusehen.«
Sie zerrte an ihren gefangenen Handgelenken. »Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?«
Er machte ein frustriertes Geräusch. »Ich will es zu sehr«, platzte er heraus. »Ich brauche es zu sehr. Aber ich will nicht … wie hast du es ausgedrückt? Meine schmutzigen Fantasien auf dich projizieren?«
Ein atemloses, hysterisches Lachen überkam sie, und jede Faser ihres Körpers stand unter Hochspannung. »Woher diese plötzliche Verunsicherung?«
Vals Gesicht war eine angestrengte, starre Maske der Selbstbeherrschung. »Ich will nicht sein wie er«, sagte er geradeheraus.
Tam entfuhr ein überraschtes Keuchen. Der Gedanke war derart absurd, dass sie es sich kaum vorzustellen vermochte. »Wie er? Georg?« Ihre Stimme brach. »Du bist kein bisschen wie er! Niemals könntest du je so sein!« Sie versetzte ihm einen harten Stoß, um ihren Worten
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