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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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augenblicklich zu mir gebracht werden.«
    Der Mann druckste herum. »Hm, ich werde mich mit dem Agenten in Verbindung setzen … «
    »Unverzüglich.« Georg ließ das Handy in seine Tasche gleiten und betrachtete den Mond. Voll und aufgebläht hing er am Horizont.
    Also war er nicht länger Novaks auserwählter Ersatzsohn. Es machte ihm nicht wirklich etwas aus, rekapitulierte er. Er hatte sich längst seine eigene Machtzentrale eingerichtet. Ohnehin bevorzugte er die Rolle des rachsüchtigen Eroberers. Sie entsprach mehr seiner Persönlichkeit. Georg war es leid, den mumifizierten Arsch des Alten zu küssen.
    Eine neue Ära brach an. Sein Herz hämmerte vor Aufregung. Er konnte es kaum abwarten.

3
    Val rutschte in dem alten Ohrensessel umher. Er war nervös und fahrig, nachdem er die letzten drei Tage an Imres Klinikbett verbracht hatte. Er hatte vergessen, wie es sich anfühlte, ungeduldig mit den Füßen zu wippen. Er hatte zu lange in einem Zustand cooler, schwebender Losgelöstheit zugebracht. Im Grunde jahrelang.
    Die Dämmerung wich der Nacht und saugte das Licht aus Imres schäbigem Arbeitszimmer heraus, bis nur noch triste graue Schatten übrig blieben. Imres schmales, zerfurchtes Gesicht war so unergründbar wie das einer antiken Statue, und das trotz der Blutergüsse und Schwellungen, die er von der wenige Tage zurückliegenden Attacke davongetragen hatte. Vals Einwänden zum Trotz war er vor einigen Stunden entlassen worden.
    »Hör auf zu zappeln«, ermahnte Imre ihn ruhig. »Du lenkst mich ab.«
    Der Ältere ignorierte Vals reflexartig gemurmelte Entschuldigung und studierte das Schachbrett mit sphinxartiger Gesetztheit. Er stellte niemals seinen Triumph zur Schau, ganz egal, wie überlegen er gewann.
    Doch die Magie der Herausforderung des Spiels funktionierte bei Val nicht. Es erforderte anstrengende geistige Arbeit, eine bewegliche Matrix aus Möglichkeiten, Strategien, Entscheidungen und Konsequenzen aufrechtzuerhalten, aber es war auch ein exzellenter Nervenkitzel.
    Imres Geschenk an ihn. Eines von vielen. Val hatte sich danach verzehrt wie nach einer Droge, obwohl es unvernünftig war, bei irgendetwas Trost oder Zuflucht zu suchen.
    Aber heute war da kein Nervenkitzel, keine Magie. Val konnte die Matrix in seinem benommenen Kopf nicht bannen. Sie kollabierte immer wieder. Gedrungen standen die schweren antiken Schachfiguren auf dem Brett – die weißen geschnitzt aus vergilbtem Elfenbein, in einem anderen Jahrhundert afrikanischen Elefanten geraubt, die schwarzen geschnitzt aus verwittertem, rissigem Ebenholz. Sie waren leblos, verrieten nichts, empfahlen nichts. Sie boten keine Lösung an, sondern nur ein Rätsel, das zu lösen er zu dumm war. Genau wie das Rätsel, was er wegen Steele und ihrer Tochter unternehmen sollte.
    »Springer f3-e5.« Imres knarrende Stimme lenkte Vals Aufmerksamkeit gerade noch rechtzeitig zurück auf das Spiel, um mitzubekommen, dass der alte Mann ihn schachmatt setzte. »Zu leicht, Junge. Keine Herausforderung.«
    Val studierte das Massaker auf dem Schachbrett und versuchte zu analysieren, welche Fehleinschätzung ihm das eingebrockt hatte. Schnell gab er seine Bemühungen auf. Scheiß drauf. Es war zu schwer, er war zu müde. Zu viele falsche Entscheidungen auf einem Haufen, um sie noch zählen zu können.
    Er sammelte die Figuren ein, stand auf und rollte die Schultern, während er durch das Fenster in diese heruntergekommene Seitengasse von Józsefváros blickte. Er war steif vom tagelangen Sitzen.
    Technisch gesehen sollte er gar nicht hier sein. Eine Bedingung für seine Anstellung bei PSS lautete, dass er sich von Budapest fernhielt. Val hatte von Anfang an gegen diese Auflage verstoßen, um Imre zu besuchen. Er verfügte über verschiedene Identitäten, sowohl von PSS geduldete als auch über solche, die er sich heimlich für den Privatgebrauch besorgt hatte. Er war geschickt darin, sich zu tarnen. Das Ganze war ein Kinderspiel gewesen.
    Doch die zeitlichen Abstände zwischen seinen Besuchen waren zunehmend größer geworden, während er sich durch seine Arbeit bei PSS immer stärker sich selbst entfremdet hatte. Er wollte nicht, dass Imre erfuhr, was er tat, oder zu genau beleuchtete, zu was Val dadurch geworden war. Er wollte sich nicht mit Imres Missbilligung auseinandersetzen müssen. Welchen Zweck hätte das? Imre konnte ihm nicht helfen, seinen Weg zu finden. Er hatte für Val getan, was er konnte.
    Es widerstrebte ihm, nach all diesen Jahren, in denen

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