Stunde der Vergeltung (German Edition)
Tonfall. »Ich darf sein Geschenk nicht verschwenden. Ich darf nicht riskieren, das Letzte zu verlieren, was mir auf dieser Welt etwas bedeutet. Ich möchte mir ein Leben mit dir aufbauen. Nie hätte ich mir so etwas vorstellen können, doch du hast diesen Traum in mir geweckt, und jetzt muss er real werden.«
»Und Rachel?«, fragte sie.
Er winkte ab. »Natürlich werden wir Rachel holen. Ich bin kein Idiot. Ich weiß, dass sie an erster Stelle steht.« Val, der ihren Starrsinn, ihre Unempfänglichkeit spürte, schüttelte sie ungeduldig. »Lass das Ganze Rachel zuliebe auf sich beruhen, Tamar. Uns zuliebe. Denk darüber nach. Du planst einen Mord. Die italienische Polizei wird dich verfolgen, ohne Rücksicht darauf, was dieser Mann verbrochen hat. Die Camorra wird dich in Santarinis Auftrag jagen, weil du seinen Schwiegervater auf dem Gewissen hast. Deine Probleme werden sich vervielfachen. Versuch nicht, die Sache durchzuziehen. Ich werde dich davon abhalten. Es würde unsere einzige Chance zerstören. Und ich werde nicht riskieren, dich zu verlieren, verstehst du? Das ist einfach keine Option.«
Tam nahm das alles in sich auf, überlegte, was es bedeutete und was sie zu tun hatte. Es fühlte sich an, als würde langsam ein Messer in ihrer Brust umgedreht werden.
»Du hast leicht reden, Janos«, wisperte sie. »Du bist jetzt frei. Ich bin das nicht.«
Seine Miene erstarrte. Er hob den Kopf vom Kissen. »Ich musste heute zusehen, wie der einzige Mensch auf diesem Planeten, den ich als Familie bezeichnen konnte, für mich verblutete. Erzähl mir nicht, dass ich leicht reden habe.«
Tam glitt von seinem Körper und aus dem Bett, dann kehrte sie ihm den Rücken zu und sammelte Kraft für das, was sie als Nächstes tun musste.
»Es tut mir leid«, sagte sie leise. »Ich wollte damit nicht andeuten, dass es ein einfacher Morgen für dich war.«
Val streckte die Hand nach ihr aus, streichelte ihren Arm. »Tamar, mein Liebling. Bitte.«
Sie drehte sich um und musterte die Hand, die sie liebkoste. Es war die an seiner gesunden Schulterseite, so stark und schön, trotz der aufgeschürften, zerschrammten Knöchel. Ebenso geschickt und zärtlich wie gefährlich.
Tam ergriff sie, hob sie an ihre Lippen und küsste sie. Nahm wortlos Abschied.
Eine Sekunde später ließ sie die Handschelle, die von dem schmiedeeisernen Kopfende hing, um sein Handgelenk zuschnappen. »Es tut mir unendlich leid«, flüsterte sie.
Val starrte sie mit offenem Mund an, dann fuhr er mit einem explosionsartigen Ruck hoch und stieß einen Schwall rumänisch klingender Obszönitäten aus. Wie ein Berserker rüttelte und riss er an der Fessel. Frisches Blut drang durch den weißen Verbandsmull an seiner Schulter und breitete sich zu einer roten Blume aus. Das chirurgische Pflaster darunter löste sich halb ab.
»Oh Gott, hör auf damit«, flehte sie ihn an. »Du darfst nicht so wild um dich schlagen, sonst wirst du dich noch schlimmer verletzen.«
»Was zur Hölle glaubst du eigentlich, was du gerade tust, du verräterisches Miststück?«
Tam zuckte zusammen. Sie hatte ihren Panzer abgelegt, darum traf sie sein Zorn schlimmer, als sie es sich je hätte vorstellen können.
»Es tut mir leid«, wiederholte sie. Erneut blind vor Tränen stolperte sie unbeholfen aus der Reichweite seiner nach ihr greifenden Hand.
»Komm sofort zurück«, knurrte er. »Öffne dieses verfluchte Ding. Jetzt!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht«, wimmerte sie. »Es tut mir leid.« Sie wagte sich blitzartig vor, um sich ihre Klamotten zu schnappen, dann brachte sie sich ebenso schnell wieder aus der Gefahrenzone und zog sich an. »Ich will dir nicht wehtun.«
»Ah, si? «, fauchte er. »Und darum fesselst du mich nackt an ein Bett? Bindest mich wie eine Ziege fest, damit András mich so findet, wenn er kommt? Ja, Tamar. Es ist nicht zu übersehen, wie viel ich dir bedeute.«
»Wenn ich zurück bin … «
»Wenn du zurück bist, wird er mir die Eier abgeschnitten und sie mir in den Rachen gestopft haben«, tobte er. »War das schon die ganze Zeit über dein Ziel? Du hattest wohl nur nicht den Mut, dir selbst die Hände schmutzig zu machen.«
Tam spürte, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen, als sie den Kopf schüttelte. »Nein. Ich habe nicht die Absicht, dich lange so zu lassen … «
»Dann lass mich frei!«, brüllte er. »Gib mir das Werkzeug!«
»Sei bitte eine Sekunde still und hör mir zu. Draußen im uliveto steht ein klappriger Fiat
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