Stunde der Vergeltung (German Edition)
brechender Stimme. »Er hat Selbstmord begangen. Ich habe es über Internettelefon gesehen. Er hat sich eine Glasscherbe in die Oberschenkelarterie gerammt.« Seine Stimme zitterte wie die eines kleinen Jungen. »Er wollte mich befreien.«
Tam tat einen tiefen, bedächtigen Atemzug. »Oh, mein armer Liebling«, flüsterte sie. »Das tut mir entsetzlich leid.«
Es waren entweder exakt die richtigen oder exakt die falschen Worte, jedenfalls lösten sie eine heftige Tränenflut aus, woraufhin Tam, wie sie überrascht und erschrocken feststellte, ebenfalls zu weinen begann. Unbeherrscht schluchzend, hielten sie einander fest umschlungen, als wären Vals Trauer und sein schwerer Verlust auch Tams.
Und so war es auch, erkannte sie, als sie an seiner Brust weinte. Sein Leid war das ihre, wie auch er der ihre war. Und das schon seit einer ganzen Weile, nur hatte sie sich das bisher nicht eingestehen wollen. Es hätte ihr dämmern müssen, als er sie zwei Nächte zuvor mit seiner Aufforderung, sie solle so tun, als liebte sie ihn, zu Tränen gerührt hatte. Es hätte ihr nach diesem Traum dämmern müssen, indem er ihr ausgestopftes Valentinsherz aus den staubigen Trümmern ihres zerbrochenen Puppen-Ichs geborgen und ihm auf wundersame Weise Leben eingehaucht hatte.
Als der emotionale Sturm abflaute, trocknete sie ihr Gesicht und stützte das Kinn auf die Unterarme. Sie waren beide scheu und verlegen.
Tam schnüffelte die Tränen zurück und ging wie üblich in die Offensive. »Nun? Dann leg mal los. Erklär mir deine Blutergüsse, deine Schulter, deinen Sprung ins Meer.«
»András«, sagte er.
Tam nickte. Sie kannte den Mann, auch wenn sie es lieber nicht täte. Es war nicht gut, auf dem Radarschirm dieses Kerls zu sein. Er spielte in der gleichen Liga wie Kurt und Georg. »Wie hat András uns gefunden?«
»Er hat mich über einen Peilsender verfolgt. Er muss den Tipp von Hegel bekommen haben.«
Das war ein übler Schock. »Er hat was ?« Ihre Stimme überschlug sich fast.
Val deutete mit dem Kinn zu seiner Schulter. »Dort«, erklärte er. »Er muss in meinem Körper gewesen sein, seit ich letztes Jahr wegen dieser Schussverletzung operiert worden bin. Wie es aussieht, hat PSS mir schon da nicht mehr über den Weg getraut. Sie wollten mich unter Kontrolle halten. Ich vermute, dass Hegel inzwischen tot ist.«
»Also haben sie uns auf diese Weise im Hotel aufgespürt. Und am Flughafen.«
»Ja«, bestätigte er kleinlaut. »Indem sie mir folgten. Ich hätte eher darauf kommen müssen. Es tut mir leid.«
»Es ist nicht deine Schuld«, hörte Tam sich selbst sagen. Obwohl es das natürlich war. Trotzdem konnte sie nicht anders, als diese bedeutungslosen Worte auszusprechen. Wie absurd, dass sie den Mann auch noch zu trösten versuchte, nachdem er sie und Rachel beinahe dem Tod ans Messer geliefert hatte. Was für ein romantisches Weichei sie allmählich wurde. Der Gedanke machte ihr Angst.
Mit klappernden Zähnen erzählte er in knappen, zögerlichen Sätzen nach und nach die ganze Geschichte: wie er todesmutig in die stürmische See gesprungen, in unterirdischen Kavernen durch eisiges Salzwasser geschwommen und sich in der nassen Dunkelheit mit der Spitze eines Taschenmessers einen Ortungssender aus dem Körper geschnitten hatte. Wäre sie selbst dazu auch fähig gewesen?
»Warum hast du nicht … ?«
Val schüttelte den Kopf. »Ich konnte dich nicht anrufen«, sagte er schlicht. »Ich durfte sie nicht auf deine Fährte führen. Und es war keine Zeit für einen Arzt. András hätte mich erwischt, und dann wäre das Spiel aus gewesen.«
»Ich verstehe.« Mehr sagte sie nicht.
Val wollte das mit seinem üblichen Achselzucken quittieren, als er mitten in der Bewegung erstarrte und schmerzgepeinigt das Gesicht verzog.
Tam verweigerte sich, vor Mitleid dahinzuschmelzen. Er braucht nicht den starken Mann markieren. Sein Schmerz traf sie ins Herz. Wenn er unnötig litt, litt auch sie. Das Leben brachte schon genug Leid mit sich. Unnötiges Leid machte sie rasend.
Aber ihm tat nicht alles weh. Verblüffenderweise regten sich Vals Lenden unter ihr. Sein Penis wurde lang und heiß und hart an ihrem Bauch. Sie rieb sich daran, mochte ihrer Wahrnehmung kaum trauen. Aber doch, sie täuschte sich nicht. Er war steinhart und bereit. Selbst jetzt.
»Val«, sagte sie streng. »Du machst wohl Witze.«
»Entschuldigung«, murmelte er unschuldig.
»Dir ist klar, dass dieses nackte Kuscheln ausschließlich therapeutischen
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