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Stunde der Vergeltung (German Edition)

Stunde der Vergeltung (German Edition)

Titel: Stunde der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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verlieren hatte. Sie hatte so vieles, das kostbar war, das sie beschützen und lieben wollte.
    Er war es nicht wert .
    Diese Erkenntnis löste eine völlig unbekannte Empfindung in diesem neuen, weiten Raum in ihrer Brust aus: wie Licht, wie Wärme, wie Musik. Ein süßer, heller Klang, wie der ferne Gesang von Kindern.
    Wenn sie ihn tötete, würde sie sich an ihn ketten, ihn für immer mit sich herumtragen. Alle Kraft, die sie für die Menschen, die sie liebte, brauchte, würde sie bis an ihr Lebensende für Drago Stengl hingeben müssen. Sie hatte ihn lange genug mit sich herumgetragen. Sollten ihn seine Schmerzen mit ihrer eigenen majestätischen Langsamkeit ins Jenseits befördern. Wozu die Eile?
    Tam könnte einfach gehen und ihn seinem Schicksal überlassen. Ja, das könnte sie.
    Stengl spürte, wie seine ersehnte Erlösung unaufhaltsam in weite Ferne rückte, und riss alarmiert die blutunterlaufenen Augen auf.
    Tam schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie leise auf Kroatisch. »Heute ist nicht dein Glückstag.« Die lange nicht mehr gebrauchte Sprache fühlte sich seltsam an in ihrem Mund.
    Sie kehrte ihm den Rücken zu und ging. Bei der Tür blieb sie stehen und sah auf Ana hinunter. Sie beugte sich vor und checkte den Puls der Frau. Stark und gleichmäßig. Sie würde in wenigen Minuten aufwachen und sich ganz normal fühlen.
    Tam verließ das Zimmer und lief den Flur hinab. Plötzlich bewegten sich ihre Füße immer schneller, bis sie rannte. Sie sprintete praktisch.
    Sie zwang sich, ihr Tempo zu drosseln. Selbstbeherrschung. Bitte, nimm dich zusammen .
    Es fiel ihr schwer, ihre Schritte unter Kontrolle zu halten. Sie wollte sich mit dem Kopf voran in ihr neues Leben stürzen. Die Chance ergreifen, die sie sich selbst gab, falls es nicht schon zu spät war. Sie wollte mit ausgestreckten Armen auf dieses neue Ich zulaufen, auf die Frau, die nicht so verzweifelt, so verbittert war.
    Diese neue Tam könnte sogar versuchen, ihr Glück zu finden. Vielleicht sogar Liebe, wenn Schweine fliegen könnten, wenn die Sterne vom Himmel auf die Erde fielen, wenn sie mehr Glück als Verstand hätte.
    Oder wenigstens Frieden, wenn schon nichts anderes.
    Frieden . Sie hatte nie gewagt, darauf zu hoffen, und nie geglaubt, ihn zu verdienen. Sie bat die Geister in ihrem Herzen um Vergebung, weil sie sie nicht rächte, und ihre Seele wurde strahlend hell, als sie ihr gewährt wurde.
    Kinderstimmen sangen in ihrem Kopf. Tam war euphorisch, sie verlor den Verstand.
    Reiß dich am Riemen, Steele , ermahnte sie sich wieder. Mach schnell. Noch bist du nicht in Sicherheit. Verlier dich nicht in deinen Tagträumereien. Du verhältst dich unverantwortlich .
    Niemand hielt sie am Ausgang auf. Sie schlenderte hinaus in die strahlende Klarheit des Winterabends. Die untergehende Sonne brachte das Meer zum Funkeln. Die Pinien wiegten sich in der sanften Brise.
    Sie staunte, wie schön alles hier draußen war. Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen. Ihr zerbarst das Herz angesichts all dieser Herrlichkeit. Es tat weh, aber sie genoss den Schmerz. Immer her damit. Sie war jetzt stärker. Sie konnte ihn aushalten.
    Erster Punkt auf der Tagesordnung: Sie musste diese verdammten Zungenpiercings aus ihrem Mund nehmen. Sie brauchte sie jetzt nicht mehr. Anschließend würde sie den nächsten Laden ansteuern, ein Prepaid-Handy kaufen, sich in Seattle nach Rachel erkundigen und dann Val anrufen. Sie musste ihm sagen, dass er im Recht und sie im Unrecht gewesen war und es ihr leidtat. Dass sie ihn liebte. Dass sie ihm nachlaufen würde, bis er aus purer Erschöpfung aufgab. Sein Zorn war sicher groß, aber dasselbe galt für ihre Liebe.
    Außerdem war sie hart im Nehmen. Sollte er toben und brüllen und sie ignorieren. Sie hatte Zeit. Sollte Stengl verrotten. Sollten sich Novak und Georg gegenseitig umbringen. Sie waren nicht wichtig. Tam würde diesen Verbrechern, die ihr Böses wollten, ins Gesicht lachen und leben. Mit ihrem Kind – und ihrem Mann. Ja, das würde sie. Oh ja.
    Der Drang, von diesem Ort wegzukommen, erreichte ein verzweifeltes Ausmaß. Tam riss die Tür des Opels auf – und hörte gleichzeitig, wie hinter ihr eine andere Wagentür geöffnet wurde. Nein .
    Tam schoss herum, dabei riss sie reflexartig den Arm nach oben, um den Schlag abzuwehren, von dem sie instinktiv wusste, dass er auf ihren Hinterkopf zielte. Er traf sie aufs Handgelenk. Ein beißender Schmerz jagte ihren Arm hoch.
    Er war gebrochen. Scheiße . Ein nutzloser

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