Stunde der Vergeltung (German Edition)
durch seinen Kopf.
Vals Brust krampfte sich zusammen, als er an seinen Ziehvater dachte. Selbst mehr als sein Bestes würde vermutlich nicht reichen. Schließlich hatte es auch bisher nicht gereicht, denn sonst wäre das alles nicht geschehen: Imre tot, Tam und Rachel gekidnappt.
Sogar Georg würde sich jetzt wahrscheinlich besser schlagen. Val musste jede Variable miteinbeziehen, durch die sich Tams Außenseiterchance vielleicht verbessern würde, solange er es noch konnte. Solange sie noch am Leben war. Er rief den Absender an.
Es klingelte achtmal. Jemand nahm ab, dann trat eine erwartungsvolle Stille ein, obwohl Val wusste, dass jemand am anderen Ende der Leitung war. Er versuchte zu sprechen, aber der Zweifel schnürte ihm die Kehle zu.
Georg wurde des Wartens überdrüssig. »In meiner Neugier kann ich einem Telefonat mit einem Toten einfach nicht widerstehen«, sagte er auf Englisch. »Spreche ich mit einem Geist aus dem Jenseits?«
Val räusperte sich hustend. »Nein«, antwortete er. »Hier ist Janos.«
»Ach, du bist es.« Georg wechselte ins Ungarische. »Ich werde dich töten, wenn ich dich das nächste Mal sehe. Das ist dir bewusst, oder?«
»Von mir aus. Mach, was du willst«, erwiderte Val dumpf. »Doch zuerst will ich dir ein paar Informationen geben. Über Tamara Steele.«
»Oh, tatsächlich?«
Ein letzter Moment verzweifelter Unsicherheit, ob er ihr damit eine weitere Chance verschaffen oder sie zu ewiger Gefangenschaft verdammen würde.
Nein. Seine Tamar würde niemals lange in einem Käfig ausharren. Nicht seine männerfressende Tigerin. Sie nicht.
»Ich warte, Janos«, rief Georg. »Ich bin kein sehr geduldiger Mensch. Was ist mit ihr? Lass mich mit ihr sprechen.«
Val schloss die Augen und ließ die Würfel rollen. »Das kann ich nicht«, sagte er. »Novak hat sie von András kidnappen lassen. Vor weniger als einer Stunde.«
Georg schnappte hörbar nach Luft. »Du verfickter Idiot«, zischte er. »Wie konntest du das zulassen?«
»Sie musste ihre Deckung verlassen, als sie vor mir geflohen ist«, erklärte er tonlos. »Sie hat versucht, zu dir zurückzukehren. Sie … will nur dich.«
Georg schwieg.
»Innerhalb der nächsten acht Stunden wird sie in Novaks Gewalt sein«, setzte Val hinzu, nachdem eine weitere zähe Minute vergangen war. »Und unter Garantie wird sie in vierundzwanzig Stunden tot sein. Wenn nicht früher.«
»Sollte das passieren, weißt du hoffentlich, worauf du dich gefasst machen kannst, oder, Janos?«
Val starrte trostlos zum Horizont. »Ja«, murmelte er. Möge Gott ihm beistehen, das wusste er.
»Schmerzen«, erläuterte Georg sanft. »Und zwar so lange, wie mir danach ist. Qualen, die jede Vorstellungskraft sprengen. Denk daran.«
Val brach das Gespräch ab. Es hatte keinen Sinn, es sich auszumalen, denn die Drohung berührte ihn kaum. Sollte Novak Tam und Rachel töten, wäre alles, was Georg ihm hinterher antun könnte, absolut nebensächlich. Er bezweifelte, dass er es überhaupt merken würde. Vielmehr würde er dafür sorgen, dass er dann bereits tot wäre.
Georg klappte das Handy mit vor Aufregung kribbelnden Fingern zu. Sein Herz wummerte vor Lust und Zorn.
Tamara wollte ihn. Sie hatte ihn immer gewollt. Er hatte tief in seinem Herzen gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren. Niemand außer ihm konnte ihre dunkle Seite, ihre geheimen, beschämenden Begierden akzeptieren und verstehen, und sie war die Einzige, die seine verstand.
Er würde sie für ihre Loyalität belohnen, indem er sie vor diesem blutrünstigen Monster Novak rettete, und sie würde ihm ihr Leben verdanken. Der Gedanke gefiel ihm.
Allerdings musste er schnell und konsequent vorgehen. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Er stieg die schmale Wendeltreppe zu dem Gemeinschaftsraum des Luxusapartments hinab, das er in San Vito gemietet hatte. Sein Blick wanderte über die fünf Männer, die dort versammelt waren. Jemand hatte ihn verraten, ihn an Novak verkauft und dem Alten erzählt, dass Tamara noch lebte und Georg nach ihr suchte. Es musste einer der Männer in diesem Zimmer gewesen sein. Es ärgerte ihn maßlos, einen Verräter zu beherbergen, aber denselben Mann konnte er nun dazu benutzen, um Novak mit falschen Informationen zu füttern.
Letzten Endes würde der Maulwurf einen langsamen, grausamen Tod sterben, sobald er entlarvt wäre.
»Wir kehren unverzüglich nach Budapest zurück«, verkündete er. »Novak hat mich offen herausgefordert. Morgen um Mitternacht werden wir
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