Stunde der Vergeltung (German Edition)
eigenen Augen erleben müssen. Er wünschte, es wäre nicht so.
Nein, es hatte keinen Ausweg gegeben. Bis Val auf PSS und Hegel gestoßen war. Besser gesagt: bis sie auf ihn gestoßen waren, vor elf Jahren, nachdem Daddy Novak den Befehl erteilt hatte, Vajda für den Waffenhandel auszubilden. Dank Imre war sein Englisch recht passabel. Was hilfreich war, wenn man Geschäfte in Westafrika tätigte. In Sierra Leone, um genau zu sein. Es war sein erster Waffenschmuggelauftrag gewesen.
Der Wagen stoppte vor einem kleinen Café in Belváros. Der Fahrer blieb wortlos und ohne sich umzudrehen sitzen. Val stieg aus und ging hinein.
Er fand Hegel in einer Ecke, wo er sich gerade über einen Riesenteller würziges Gulasch und Kartoffelkroketten hermachte. Er bedachte Val mit einem unfreundlichen Blick, als er sich dem Tisch näherte.
Hegel war kein gut aussehender Mann. Er war grauhaarig, untersetzt und kantig. Er hatte ein finsteres, grobes, pockennarbiges Gesicht mit Hängebacken.
»Sie sind spät dran«, knurrte er und wischte sich über den Mund.
Val nahm Platz, ohne sich zu erklären oder zu entschuldigen. Sein Vorgesetzter ignorierte ihn, während er sich den nächsten Bissen in den Mund schaufelte.
Hegel war ein ehemaliger Hubschrauberpilot der amerikanischen Spezialeinsatzkräfte, Vietnamveteran und PSS-Geheimagent der ersten Stunde. Val hatte ihn vor elf Jahren in Ouagadougou kennengelernt, als er mit dreißig Tonnen Kleinfeuerwaffen samt Munition, Panzerabwehrwaffen, Luft-Boden-Raketen, RPG-Panzerbüchsen und Sprengköpfen von einem ukrainischen Waffenhersteller, die für die Rebellen der Revolutionary United Front gedacht waren, dort eingetroffen war.
Er hatte den Auftrag, sie gegen ein Vermögen an geschmuggelten Diamanten einzutauschen. Ein bereitstehendes Flugzeug transportierte die Waffen diskret nach Monrovia, wo das Geschäft abgewickelt werden sollte.
Hegel war einer der Piloten, die die Waffen zum Rebellenstützpunkt im Dschungel beförderten. Val fand später heraus, dass er ein Untercoveragent war, der den Quellen nachspürte, die die Rebellen mit Waffen belieferten. Hegel hatte ihn eingeladen, den Waffenschmuggel zu begleiten, und aus Neugier gepaart mit Langeweile war Val mitgeflogen. Aufgrund eines Maschinenproblems waren sie in Moidu zwischengelandet, einem Dorf mitten im Dschungel.
Durch eine Laune des Schicksals waren sie gerade dort, als die Rebellen angriffen.
Es war ein Massaker. Die Rebellensoldaten waren selbst noch Kinder und Jugendliche, die sich, bewaffnet mit den Sturmgewehren und Raketenwerfern, die sie ihnen gerade verkauft hatten, unter dem Einfluss von Palmwein und Kokain wie wilde Tiere gebärdeten. Sie stachen, schlugen und schossen alles nieder, was ihnen über den Weg lief.
Val hatte in seinem Leben schon viel Gewalt gesehen, aber als er mitbekam, wie eine junge schwangere Frau vor seinen Augen von zwei minderjährigen Strolchen mit Macheten in Stücke gehackt wurde, legte sich in ihm ein Schalter um. Er erinnerte sich hinterher nicht an die Dynamik des Kampfes, wie er ablief oder ausging. Alles war nur ein einziges pures Chaos aus Lärm und Blut. Hegel hatte ihn schließlich rausgezogen. Erstaunlicherweise lebend.
Als er mit unfassbaren Schmerzen in einem Krankenhausbett aufwachte, kaum fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, hatte Hegel neben ihm gesessen. Die metallisch grauen Augen des Mannes taxierten ihn. Kalt und abschätzend, als würde er seinen Neuerwerb bewerten.
Hegel erzählte ihm von Prime Security Solutions , einer privaten Söldnertruppe, die über gepanzerte Kampffahrzeuge, Kanonenboote, Jagdflugzeuge und alle erdenklichen Waffen verfügte. Sie versorgten ihre Klienten mit militärischem Training, VIP-Bewachung, Luftfrachttransporten, Finanzverwaltung im Ausland, Spionagediensten, fotografischer Aufklärung mittels Infrarot, Satellitenbildern. PSS konnte überall auf der Welt binnen Stunden einen Trupp von Bataillonsstärke bereitstellen. Und sie bezahlten ihre Leute gut.
Hegel hatte ihm ein Angebot gemacht. Vajda konnte wiedergeboren werden, mit einem neuen Namen, einem neuen Leben – im Austausch für seine Dienste als Geheimagent.
Vajda erklärte ihm, dass eine Kündigung bei Gabor Novak komplizierter war, als es den Anschein hatte, aber Hegel hatte lediglich die Achseln gezuckt. Geld würde dieses Problem lösen, und Vajda war die Ablösesumme, die Novak verlangen würde, mehr als wert. Man würde sich um alles kümmern – wenn Vajda
Weitere Kostenlose Bücher