Stunde der Vergeltung (German Edition)
Reisen. Sie werden wieder von uns hören, Miss Steele«, sagte Meechum.
»Ich freue mich schon darauf«, antwortete Tamara.
Sie und Rachel begleiteten die beiden nach draußen. Mit erleichterten Mienen kletterten die Männer in ihren Streifenwagen. Sie waren froh, der menschlichen Alarmsirene zu entkommen, reflektierte Tam verdrießlich, während sie zusah, wie die Heckleuchten in der Nacht verschwanden. Diese Glückspilze.
Sie brauchte fast eine Stunde, um Rachel zu besänftigen, sie in ihren Pyjama zu stecken und in den Schlaf zu kuscheln. Danach war sie sogar zu müde, um sich ein weiteres Mal über Janos’ hinterlistige Intrige aufzuregen.
Was für ein grausamer Witz. Wann immer sie ihre Wachsamkeit aufgab, wurde sie verarscht. Aber lernte sie daraus? Nein.
Nur selten durchbrach einer ihrer Liebhaber ihren Panzer und verblüffte sie, indem er sich als wirklich aufregend entpuppte – wenig überraschend, dass es bislang jedes Mal in einem Desaster geendet hatte, wenn es passiert war.
Der Letzte war Victor Lazar gewesen, Raines Onkel. Er war mindestens so kaputt gewesen wie Tamara selbst und genauso zwielichtig, dabei aber unglaublich stark. Er hatte diese Stärke ausgestrahlt … genau wie Janos. Darin lag der Reiz, überlegte sie. Janos hatte recht. Sie mochte Stärke. Sehr sogar.
Aber Lazar war umgekommen, bevor Tam die Chance hatte, ihn zu genießen. Verdientermaßen, trotzdem tat es weh. Sie hatte seinen Mörder bestrafen wollen. Darum hatte sie sich mit Kurt Novak eingelassen.
Tam erschauderte. Sie hatte geglaubt, es mit jedem aufnehmen zu können, aber dieser Kerl war ihr haushoch überlegen gewesen. Ein brillanter, sadistischer Psychopath. Und dann war da noch Georg, um der Mixtur ein weiteres schauriges Element hinzuzufügen.
Stopp . Sie hatte mehr als reichlich Stoff für jede Menge Albträume in ihrem Kopf, auch ohne über diese beiden Irren nachzudenken.
Sie ging in die Küche, mit dem vagen Vorhaben, aus dem Fenster in die Dunkelheit zu starren und dabei ein Glas Single Malt zu genießen, als sie bemerkte, dass das Lämpchen ihres Anrufbeantworters blinkte. Ein seltenes Ereignis, nachdem nur sehr wenige Menschen die Nummer kannten. Sie hörte die Nachricht ab.
»Miss Steele? Hier spricht Emma Carew von der Adoptionsagentur. Es gibt ein Problem mit der Adoptionsabwicklung. Wir müssen uns dringend persönlich unterhalten, aber ich fürchte, dass wir den Fall eventuell neu prüfen müssen. Ich bin nicht sicher, ob dieser Anruf eine gute Idee ist, doch nach all unseren Gesprächen hatte ich das Gefühl, Ihnen eine persönliche Erklärung zu schulden, bevor wir gezwungen sind … nun, die Sache ist furchtbar peinlich, aber wir haben beunruhigende Informationen hinsichtlich potenzieller krimineller Aktivitäten in Ihrem Haushalt und über Ihre, äh, labile geistige Verfassung erhalten. Es könnte notwendig sein, dass wir Rachel in eine Pflegefamilie geben, bis die Untersuchungen vollständig abgeschlossen sind und uns ein psychologisches Gutachten über Sie vorliegt, damit diese Sache geklärt werden kann … «
Ratsch . Tam riss den Apparat mit einem Ruck aus der Wand, dann schleuderte sie ihn quer durchs Zimmer gegen die kahle Ziegelmauer. Rums. In seine Einzelteile zerlegt landete er auf dem Fußboden. Mit rotem Gesicht und dröhnendem Herzen starrte sie ihn an.
Wie nett, Tamar. Eine zauberhafte Demonstration deiner Reife, deiner Eignung als Mutter , kommentierte eine trockene, sachliche Stimme in ihrem Kopf. Na, bist du bereit für deine psychologische Beurteilung?
Es war die Stimme ihrer Mutter. Sie versetzte ihr einen Stich. Tamara hatte seit Jahren nicht mehr in der Sprache ihrer Kindheit gedacht oder auch nur geträumt, und sie hätte nie vermutet, dass sie sich überhaupt an den Klang erinnerte. Immerhin hatte sie sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr gehört.
Natürlich nicht. Wie könntest du, nachdem du haargenau weißt, was ich zu deinem Lebenswandel sagen würde. Um Gottes willen, Tamar. Also wirklich.
Ach, halt doch die Klappe , gab sie im Stillen zurück. Die Stimme gehorchte. Ein weiterer schmutziger Trick ihrer Mutter. Der hochmütige Rückzug. Mit Schweigen bestrafen.
Sofort bedauerte sie es, den Geist aus ihrem Kopf vertrieben zu haben, so schnippisch er auch sein mochte. Das Zimmer wirkte ohne ihn furchtbar leer.
Tam hatte früher nie unter Einsamkeit gelitten. Allein zu sein hatte ihr nicht das Geringste ausgemacht. Ganz im Gegenteil. Allein zu sein
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