Stunde der Vergeltung (German Edition)
nachtschlafende Stunde. Die Warteschlangen im Terminal waren nicht lang. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Rachel bis zur Sicherheitskontrolle weiterschlafen würde. Es bestand nicht die geringste Hoffnung, dass das Kind nicht aufwachen würde, während es aus dem Kinderwagen gehoben, seiner Schuhe entledigt und durch die Sicherheitsschleuse bugsiert würde, aber wenn Tam es ohne Schwierigkeiten zumindest bis dorthin schaffte, könnte sie sich glücklich schätzen.
Als sie Rachels Passagierschein in den E-Check-in-Automaten einschob, lief alles wie am Schnürchen, doch an ihrem eigenen verschluckte er sich. Tam knirschte mit den Zähnen, als die Meldung auf dem Monitor erschien, dass sie sich an einen Check-in-Schalter wenden solle. Vor denen hatten sich inzwischen endlose, behäbige Schlangen gebildet. Tams Nacken kribbelte wie verrückt.
Sie vertrieb sich die Wartezeit damit, jede Person in ihrer Umgebung, einschließlich des Flughafenpersonals, zu analysieren, um potenzielle Angreifer zu identifizieren. Man konnte nie wissen. Sie wünschte, sie hätte sich in einer anderen Rolle tarnen können, aber wozu die Mühe? Rachel verriet sie sowieso. Sie konnte das Kind schließlich nicht als Stadtstreicherin oder aalglatten Banker verkleiden.
Als sie das Ende der Schlange erreichten, wurde Rachel wach und begann zu quengeln. Die pausbackige Frau hinter dem Schalter überprüfte ihre Pässe, gab etwas in den Computer ein und runzelte die Stirn. Sie tippte weiter, blinzelte und bedachte Tam mit einem verstohlenen Blick, ehe sie ihn rasch senkte. Tams Magen zog sich zusammen.
Das also auch noch. Janos musste sich irgendwie Zugang zu ihrem Computer verschafft und die Daten abgefangen haben. Er hatte sie ausgetrickst. Scheiße. Die Reisedokumente für sich und Rachel waren mit einem einzigen geschmeidigen Handstreich wertlos, Zehntausende Dollar umsonst investiert. Was um alles in der Welt sollte sie jetzt tun?
Das bedeutete, dass Janos und Gott weiß wer sonst noch alles exakt über ihren momentanen Aufenthaltsort im Bilde waren. Ihr Herz begann zu rasen. Sie blickte über ihre Schulter und unterzog jeden in ihrer Umgebung einer zweiten gründlichen Musterung.
»Ähm, Ma’am? Ich bedaure, aber es gibt da ein Problem mit Ihrem Ausweis.« Die Frau blinzelte nervös, so als befürchtete sie, dass Tam jeden Moment Hörner wachsen könnten. »Sie müssen leider mit, äh, dem Sicherheitsdienst sprechen.«
»Dem Sicherheitsdienst?« Tam machte große, unschuldige Augen und hob Rachel aus dem Kinderwagen. Die Kleine schlang ihr wie ein Krake die Ärmchen um den Hals. »Was denn für ein Problem?«
»Ach. Ich bin sicher, es handelt sich lediglich um eine kleine Panne im System«, versicherte die Dame ihr. »Wenn Sie einfach ein Stück zur Seiten treten und warten könnten, sorge ich dafür, dass sie sofort herkommen und dieses Problem für Sie aus der Welt schaffen, einverstanden?«
Tam schenkte der Frau ein breites, gekünsteltes »Herrje was sind diese Geräte doch für nutzlose Biester«-Lächeln, dann ging sie zur Seite, wie die Angestellte es ihr gesagt hatte. Den Kinderwagen und die verdächtigen Pässe ließ sie zurück. Sie nahm nur die Wickeltasche, ihre Handtasche und Rachel mit. Schnipp-schnapp machte der Bolzenschneider. Sie schlenderte an der Stelle, wo sie warten sollte, vorbei.
»Äh, Ma’am? Bleiben Sie bitte stehen«, rief die Frau ihr nervös hinterher. »Der Sicherheitsdienst ist jede Sekunde bei Ihnen!«
»Verzeihung, aber meine Tochter muss mal für kleine Mädchen«, gab Tam zurück. »Und zwar dringend, sonst gibt es eine Bescherung. Ich bin gleich wieder da, okay? Wir beeilen uns!«
Sie schoss um die Ecke und um eine Gruppe japanischer Touristen herum, die von einem gestressten Reiseleiter in die Warteschlange vor dem Schalter bugsiert wurden, dann rannte sie die Rolltreppe hinab, die zum ebenerdig gelegenen Transportbereich führte. Es warteten mehrere Leute auf Taxis, nur war weit und breit kein Taxi zu sehen. Dort konnte sie sich nicht anstellen. Sie würde binnen weniger Minuten geschnappt werden.
Der Shuttleservice zu den anderen Terminals und zum Langzeitparkplatz befand sich auf der anderen Seite der Fahrbahn. Tam hetzte über die Straße, bestieg den Bus und kauerte sich in ihrem Sitz zusammen, um nicht gesehen zu werden. Etwa eine Minute später stieg ein hoch aufgeschossener Kerl in Armeejacke, mit einem ramponierten Rucksack, langem braunem Haar und einem buschigen Bart
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