Stunde der Vergeltung (German Edition)
Papier geführt hatte, überkam ihn bisweilen das Bedürfnis, etwas, und mochte es noch so banal sein, auf diesem Blatt festzuhalten. Außerdem könnte die Tochter eines Goldschmieds durchaus ein Faible für Metallarbeiten haben.
Es reichte, um ihn zu überzeugen. »Was ist mit Tamar weiter geschehen?«
»Ihre Mutter und ihre Schwester starben Ende September in diesem Konzentrationslager«, erklärte Henry. »Die klassische herzzerreißende Balkantragödie. Danach gibt es keine Informationen mehr über die junge Tamar. Sie hat sich scheinbar in Luft aufgelöst.«
Henrys kühler, zynischer Ton zerrte an Vals Nerven. »Wer hat die Erschießungen angeordnet?«, fragte er. »Drago Stengl, sagtest du? Ich habe den Namen schon mal gehört.«
»Das kommt daher, dass er in den Neunzigern PSS-Personal angeheuert hat«, antwortete Henry. »Wie es aussieht, haben wir einen Teil seiner Drecksarbeit für ihn erledigt. Der Hurensohn ist inzwischen untergetaucht. Man hat ihn in Kroatien wegen einer ganzen Reihe abscheulicher Kriegsverbrechen angeklagt. Es geht das Gerücht, dass er langsam an irgendeiner widerwärtigen Krankheit krepiert. Passend, findest du nicht?«
»Weißt du, wo er sich aufhält?«
»Ich weiß, wo seine Tochter ist«, erwiderte Henry. »Ich habe die Info in der PSS -Akte über Stengl entdeckt. Ana Santarini. Sie lebt in Italien, an der Amalfiküste. Ist mit Ignazio Santarini verheiratet, einem reichen Import-Export-Kaufmann mit guten Verbindungen zur Camorra. Verfügst du dort unten nicht über Kontakte? Du hast doch vor ein paar Jahren im Auftrag von PSS mit der Frau von irgendeinem Camorra-Mafioso geschlafen, oder? Vielleicht könntest du, äh, bei ihr noch mal ansetzen und sie dazu bringen, dich Ana vorzustellen? Falls es unbedingt nötig werden sollte.«
Val grunzte unverbindlich. »Ja, vielleicht. Würdest du für mich nach Italien fahren … ?«
»Bin schon vor Ort«, sagte Henry. »In Salerno. Ich dachte, du möchtest bestimmt, dass ich Ana Santarini folge, darum habe ich mir die Freiheit genommen.«
Val war sprachlos. »Danke«, sagte er dann. »Bleib bitte an der Sache dran.«
»Kein Problem. Ich habe momentan nichts Besseres zu tun, und die Italienerinnen sind echt scharf. Ich bin heute Morgen angekommen und Ana anschließend den ganzen Tag gefolgt. Sie hat einen hübschen Hintern. Nachmittags verbrachte sie mehrere Stunden in einer Privatklinik. Ich tippe darauf, dass Stengl dort liegt. Jedenfalls solltest du deinen Hintern in Bewegung setzen, bevor Miss Energiebündel dich ein für alle Mal abhängt. Kannst du dich schon wieder rühren?«
»Ich glaube schon. Bis später.« Val steckte das Handy ein und guckte in den Spiegel. Er sah aus wie ausgekotzt, aber er hatte nicht die Zeit, zu duschen oder sich zu rasieren. Er band seine schwarze Krawatte um, schnallte das Holster fest und schlüpfte in sein graues Armani-Sakko. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich von dem Bekleidungsgeschäft einen Anzug liefern zu lassen, doch leider wusste er nicht, wie formell die Veranstaltung sein würde. Er durfte keine Aufmerksamkeit erregen, indem er sich zu elegant kleidete. In Amerika war es immer besser, eher zu lässig angezogen zu sein. Zumindest war seine Jeans schwarz. Er konnte von Glück reden, dass er sich bei Steeles Elektroschockattacke nicht in die Hose gepisst hatte.
Val lud alles in seinen SUV, rief die Frequenzen des Senders ab, den er in Steeles Tasche geschmuggelt hatte, und lokalisierte sie auf der I-5 Richtung Süden.
Es war nicht schwierig, ihr Taxi einzuholen. Sie hatte lediglich einen zwanzigminütigen Vorsprung, und er fuhr schnell. Nach einer Stunde hatte er den Randbezirk von Tacoma erreicht und folgte einer Straße, die durch einen Nadelwald zu einem Hotel führte. Die Hinweisschilder wiesen es als das Huxley Resort und Spa aus. Das bewegliche Symbol, das Steeles Position anzeigte, war nur Minuten vor seinem Eintreffen dort stehen geblieben.
Val hielt vor dem Eingang, wartete, bis er ein gelbes Taxi davonfahren sah, erst dann steuerte er den Parkplatz an. Der Zeitpunkt seines Auftritts war entscheidend. Steele musste bereits im Festsaal sitzen, der Ausgang versperrt durch die Hochzeitsgesellschaft, und die Trauung sollte bereits in vollem Gang sein, bevor sie ihn bemerken durfte. Sie sollte nicht die Chance haben, gegen sein Auftauchen zu protestieren, ohne die Zeremonie zu stören und das Kind zu beunruhigen.
Als Erstes entdeckte er Rachel, die in ihrer Kombination aus
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