Sturm der Barbaren
geschlossene Fenster schmücken die Frontmauer des Hauses, die Fensterbänke sind mit einem Abstand von nur zwei Ellen über dem glatten, aber abgewetzten grünen Keramikfliesenboden angebracht. Zwei schmale Regale stehen zwischen dem linken Fenster und der Ecke. Darin findet sich lediglich eine einzige Sonnensteinfigur, die einen Magier darstellt, welcher auf eine Stufe blickt. Die andere Ecke ziert der hüfthohe, runde Tisch mit einer Öllampe darauf, der früher in Myryans Zimmer stand. Gegenüber den Fenstern lädt ein dick gepolstertes Sofa in einem ausgeblichenen Blau zum Verweilen ein. Links daneben steht ein weiterer Tisch aus dunklem Holz, den eine blaue Glaslampe ziert. Rechts daneben, zwischen dem Sofa und dem Tisch nahe dem Fenster, steht ein Eichenstuhl mit gerader Lehne. Das letzte Möbel in dem Raum ist ein dünn gepolsterter Stuhl vor dem mittleren Fenster.
Myryan geht zur Fensterwand und öffnet einen Fensterladen nach dem anderen, um Licht hereinzulassen. Sie dreht sich um und breitet die Arme in dem kleinen Raum aus. »Das muss genügen. Wir haben nur das eine Wohnzimmer und keinen Säulengang.« Sie steht vor dem Stuhl am Fenster und blickt aufs Sofa.
Lorn stellt die Taschen ab und lässt sich auf dem Weißeichenstuhl mit der geraden Lehne nieder; die Patina lässt vermuten, dass er wahrscheinlich älter ist als beide Geschwister zusammen.
Myryan setzt sich auf den Stuhl. »Wann bist du zurückgekommen?«
»Gestern Abend.« Lorn lächelt. »Jerial meinte, man würde mich nicht sonderlich freundlich empfangen, wenn ich spät am Abend vor eurer Tür aufkreuze. Also habe ich mir den Besuch für heute Vormittag aufgehoben.« Er erwähnt nicht, dass seine Eltern ihm keine Hilfe angeboten haben, außer indirekt durch Jerial.
»Jerial hat sich nie sonderlich um Ciesrt gekümmert.« Myryan lächelt matt.
»Sie hat kein Urteil abgegeben.«
»Muss sie das?«, fragt Myryan trocken, so wie sie es von ihrer Mutter geerbt hat.
»Jerial geht ihren eigenen Weg«, antwortet Lorn.
»Das hat sie schon immer getan. Das wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern.«
»Wie geht es dir?«
»Ich arbeite immer noch als Heilerin.« Die bernsteinfarbenen Augen funkeln einige Sekunden lang. »Und ich versuche dieses Haus in eine einigermaßen respektable Wohnung zu verwandeln. Alle Wände waren vorher dunkelblau.«
»Mit großen goldenen Lilien darauf?«
»Kleine ausgebleichte gelbe Lilien. Überall.« Myryan lacht. »Es war das Beste, was wir tun konnten. Ciesrt wollte nicht, dass wir bei meinen Eltern leben, und ich wollte nicht bei seinen wohnen. Also …«
»Junge Adepten der zweiten Stufe verdienen schließlich keine Reichtümer.«
»Du bist sehr freundlich, Lorn. Dritte Stufe. Er sagt, dass er im nächsten Sommer die zweite Stufe erreichen will, wenn die Lektoren alle Dritten geprüft haben.«
Lorn denkt über das Haus nach: Man muss es bescheiden nennen im Vergleich zu dem Heim, in dem er und seine Schwester aufgewachsen sind, aber nicht im Entferntesten bescheiden im Vergleich zu Ryalths Zuhause … es sei denn, Ryalth hat sich inzwischen eine größere Wohnung genommen, die dem Erfolg des Hauses Ryalor angemessen ist.
Myryan folgt seinem Blick. »Man hat uns geholfen. Kharl’elth und Vater … und noch jemand.«
»Noch jemand?«, fragt Lorn verwundert.
Myryan zuckt die Schultern. »Ich dachte, du wärst es gewesen. Wie bei der Heilernadel. Da war ein Guthaben auf einem Konto an der Börse auf meinen Namen … so haben Vater und Kharl es genannt. Ich habe Ciesrt erzählt, dass das Geld von der Familie meiner Mutter stammt. Er hat nur genickt.«
Lorn sieht Ciesrt förmlich vor sich, wie er einfach hinnimmt, was er nicht verstehen kann, und weiter durchs Leben geht, ohne darüber nachzudenken, was außerhalb der Viertel der Magi’i geschieht. »Hast du eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
Myryan schüttelt den Kopf. »Ich habe die Goldstücke fast eine Jahreszeit lang aufgehoben, aber es kam niemals auch nur der kleinste Hinweis. Dann habe ich das Haus gefunden. Tyrsal hat mir dabei geholfen, er hat sich als Verwandter ausgegeben. Ciesrt und ich leben erst seit einer Jahreszeit hier.«
»Hier bist du glücklicher.«
Myryan lächelt. »Viel glücklicher. Ich habe schon angefangen, draußen zu arbeiten, und ich kann es kaum erwarten, endlich den Garten zu bepflanzen. Der Boden ist gut, ich werde einige der kostbaren Kräuter anbauen, glaube ich. Jerial hat ein Bett und einen Schrank für
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