Sturm der Barbaren
Yuryan-Klans … Schimmertuch, hamorische Baumwolle, Gewürze …«
»Sucht er eine Gemahlin?«
Ihr verkrampftes Lachen klingt bitter.
»Komm nach Geliendra, wenn ich meinen ersten Urlaub dort habe«, sagt Lorn plötzlich. »In einem Jahr.«
Sie zieht die Augenbrauen hoch und lehnt sich zurück, um ihn anzusehen. »Warum?«
Lorn schluckt, dann beugt er sich hinunter und berührt mit den Lippen ihr Ohr. »Wir werden uns dort vermählen.«
»Ist das dein Ernst?« Sie schüttelt den Kopf, stößt ihn zurück und flüstert: »Warum dort?«
»Überall, nur nicht hier.«
Sie lacht über seinen trockenen Tonfall. »Und?«
»Hier werde ich beobachtet, und alle denken, du bist meine Mätresse …« Lorn hält inne, er weiß nicht, wie er es ausdrücken soll.
»Bin ich das nicht?« Ihre Augenbrauen wölben sich nach oben.
»Du bist viel mehr als das.« Schnell murmelt Lorn die nächsten Worte. »Es ist nur zu deinem Schutz, wenn alle glauben, du seist meine Mätresse.«
Sie nickt. »Ich glaube, ich verstehe. Aber es gefällt mir nicht.«
»Ich versuche nur …«
»Ich weiß.« Sie verstärkt ihre Umarmung für einen Augenblick. »Ich weiß.«
Lorn hält sie fest, genauso wie sie ihn.
Ryalth wird sehr bald gehen müssen, viel zu früh.
Und Lorn muss sich etwas einfallen lassen für Shevelt … und zwar noch bevor er nach Geliendra geht.
XLVII
L orn betrachtet vom oberen Säulengang seines Elternhauses die Stadt und sieht zu, wie die morgendliche Wintersonne einen silbernen Schimmer auf das Hafenbecken und das Westmeer weiter im Süden zaubert. Doch in Lorns Augen scheint die Weiße Stadt nicht so lebhaft wie sonst. Ist es wegen des wintergrauen Laubwerks … oder wegen der fehlenden grünweißen Markisen, die im Winter aufgerollt werden … oder weil er die Stadt nun anders sieht?
Die Luft regt sich nicht, sie erwärmt sich jedoch mit der aufsteigenden Sonne.
Jemand nähert sich, er fühlt es und dreht sich um. Das rundgesichtige Dienstmädchen – Sylirya – schnauft die Treppe herauf mit einem kleinen Korb in der Hand und verneigt den Kopf.
»Guten Tag, Sylirya.«
»Guten Tag, Ser.«
Lorn wirft einen Blick auf den Korb.
»Bürsten und Ätzmittel, Ser. Um die Fliesen im hinteren Säulengang sauber zu machen.«
»Keine leichte Aufgabe. Früher, als wir noch Kinder waren, hat Mutter uns diese Arbeit immer übertragen.« Lorn muss lächeln bei diesem Gedanken. »Ich will dich aber nicht aufhalten.«
Er tritt zur Seite, um Sylirya vorbeizulassen, dann dreht er sich um und schickt sich an, die Treppe zu seinen Gemächern hinunterzugehen. Die Tür zum Arbeitszimmer seines Vaters ist offen und Kien steht dort auf einen polierten Gehstock aus Weißeiche gestützt.
»Oh … ich dachte, du wärst schon im Viertel«, ruft Lorn.
»Ich wollte gerade gehen.« Der ältere Mann setzt ein entschuldigendes Lächeln auf. »In meinem Alter hat man einen kleinen Spielraum. Vernt ist schon viel früher gegangen.«
»Geht es dir gut?« Lorn betrachtet den Vater, seine Sinne sagen ihm, dass er gesund ist – nur der Kern aus Ordnungs-Chaos, der jedes Individuum am Leben erhält, scheint nicht mehr so stark wie früher.
»Es geht mir gut, nur bin ich nicht mehr so jung, wie ich schon einmal war.«
Lorn spürt die Schatten über der Wahrheit, aber er lässt die Worte unerwidert.
»Du gehst immer noch zu dieser Händlerin.«
Kien’elth stellt kein Fragezeichen hinter den Satz.
»Du kennst die Antwort darauf, Vater. Warum fragst du?«
»Ich mache mir Sorgen. Das tun alle Eltern, auch wenn ihre Kinder schon lange erwachsen sind.«
»Sie hat mir sehr geholfen.« Lorn schürzt die Lippen. »Als Lanzenkämpfer bin ich schließlich nicht gerade begehrt von den Familien, mit deren Töchtern ich aufgewachsen bin.«
»Es gibt viele höchst ehrenwerte Lanzenkämpferfamilien«, empört sich Kien. »Mehr als nur ein paar Mütter haben schon bei deiner Mutter vorgesprochen.«
Lorn zuckt die Schultern. »Ich glaube, diese Gespräche sollten warten, bis ich meinen nächsten Dienstauftrag erfolgreich erfüllt habe.«
»Vielleicht … würde sich aber eine geeignete Vermählung als nützlich erweisen.«
Lorns Magen verkrampft sich, aber er bringt trotzdem ein Lächeln zu Stande. »Das könnte sein, aber das würde in den kommenden Jahren womöglich nur noch weitere Gefahren mit sich bringen.«
»Deine … Freundin … hat sich gut gemacht, Lorn, aber sie stammt nicht aus einem alteingesessenen Haus, und alles, was sie
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