Sturm der Barbaren
kernen Anteil bekomme, finde ich einen anderen Meister, der etwas hat, was ich vielleicht mit Gewinn verkaufen kann. Sie behalten meine Münzen, ganz gleich ob die Fracht Gewinn einbringt oder nicht. An diesem Ende habe ich mehr Kontrolle darüber, aber man kann keine Anteile an gerade hereinkommenden Frachten kaufen. Nicht, wenn man vorhat, noch länger Händler zu bleiben.«
Lorn nickt, obwohl er weit davon entfernt ist, behaupten zu können, er hätte alles verstanden. Während er über ihre Worte nachdenkt, schlendern die beiden auf der Pier zurück.
»Wenn die Rotwind in einen Sturm gerät oder in raue See, wirst du fünfzig Goldstücke verlieren und dazu deinen Anteil an der auslaufenden Fracht«, meint Lorn schließlich, als er sicher sein kann, dass sie weit genug entfernt sind von allen neugierigen Ohren.
»Das stimmt. Wenn …« Sie zieht das kleine Wörtchen in die Länge und fügt dann hinzu: »Es gibt Schiffe, die legen zwei oder mehr Passagen mit angeschlagenem Kiel zurück, einige sogar noch mehr. So mancher Schiffseigner hat sogar schon wissentlich Schiffe mit gebrochenem Kiel auslaufen lassen.«
»Warum?« Lorn runzelt die Stirn. »Spekulieren sie darauf, ein wertloses Schiff vielleicht nicht ersetzen zu müssen?«
»Die meisten besitzen nicht die erforderliche Menge an Goldstücken, die für die Reparatur eines Schiffes notwendig ist – oder für die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzes. Es ist billiger, einen neuen Kapitän samt neuer Mannschaft anzuheuern und ihm einen Bonus von fünfzig Goldstücken anzubieten, damit er das Schiff sicher zurückbringt; oder es an einen anderen Händler zu verkaufen, der sich um einen kaputten Kiel nichts schert.« Sie zuckt die Achseln. »Vielleicht weiß L’Igek sogar um den Schaden an der Rotwind. Vielleicht hält er deshalb die Preise so niedrig.«
Lorn zupft an seinem Kinn. Jede Minute mit Ryalth lehrt ihn, dass er über den Handel noch nicht viel weiß. »Du hast gar nicht darüber nachgedacht, es ihm zu sagen?«
»Nein. Ich hätte erklären müssen, woher ich es weiß, und dann würde niemals wieder auch nur ein Händler mit uns Geschäfte machen. Sie hassen die Magi’i. Deshalb habe ich auch etwas von der Rückfracht gekauft. Das Schiff könnte ja wirklich zurückkommen, und wenn dem so ist, oder besonders wenn L’Igek das Problem entdeckt und überlebt, würde keiner von ihnen jemals wieder Geschäfte mit mir machen.« Ihre Stimme wird weicher, während sie spricht. »Du weißt, dass es zu Zeiten der Erstgeborenen noch keine Händler gab. Die ersten Händler – die meisten zumindest – kamen aus Spidlar, das liegt im Norden Candars, östlich der Westhörner.«
»Ich weiß.«
»Aber sie waren die Einzigen, mit denen die Hamoraner und Austrier Handel trieben. Erst mit der Zeit kamen Händler aus Cyad hinzu.«
»Sehen deshalb die Lanzenkämpfer und Magi’i auf die Händler herab?«
»Sie stellen ihre Überlegenheit auch gern zur Schau.« Ryalth lächelt. »Glaubst du nicht, dass Bluoyal genauso intelligent ist wie der Major-Kommandant der Spiegellanzenkämpfer?«
»Ist das nicht der Handelsberater des Kaisers?« Lorn lacht. »Nach dem, was ich gehört habe, ist er wahrscheinlich sogar klüger.«
»Die Magi’i und Lanzenkämpfer denken nicht so. Deine Eltern zum Beispiel glauben, dass ich deiner nicht würdig bin.«
»Aber ich nicht.«
»Du bist ja auch nicht wie deine Eltern.«
Am Ende der Pier bleibt Ryalth stehen, in einiger Entfernung zu den Männern, die mit Handkarren Vorräte zu den Schiffen fahren, die entlang der Piere vertäut liegen. »Ich muss zurück zum Händlerplatz. Ich erwarte eine Antwort vom Haus Nylyth auf meine Anfrage wegen Anteilen am Pfefferkorn aus Atla. Es ist ein hamorisches Haus.«
»Betreibst du – oder wir – Handel auf der ganzen Welt?«
»Nur dort, wo sich Goldstücke verdienen lassen«, antwortet sie. Sie zeigt nach Osten. »Vielleicht solltest du noch etwas Zeit mit deiner Familie verbringen. Dein Urlaub ist schon auf drei Achttage zusammengeschrumpft.«
»Heute Abend?«
»Natürlich.« Zum ersten Mal an diesem Morgen ist ihr Lächeln warm und strahlend.
Lorn schüttelt lachend den Kopf und strahlt die Händlerin an. »Darauf freue ich mich.«
Ihre Augen funkeln. »Das hoffe ich doch.«
Er sieht ihr noch eine Weile nach, als sie flotten Schrittes zurück zum Händlerplatz geht. Schließlich dreht er sich um und schlägt den Weg Richtung Norden zur Straße des Fortwährenden Lichts
Weitere Kostenlose Bücher