Sturm der Barbaren
das Lagerhaus zugehen. Wild in Richtung Feuer gestikulierend, schreit Lorn: »Feuer! Feuer im Lagerhaus!«
»Feuer! Feuer!«, trägt Ryalths Stimme lautstark bei.
Die Köpfe der drei Männer an der Ecke drehen sich in ihre Richtung.
Aus dem schmalen Eingang des gegenüberliegenden Gebäudes rennt ein großer Mann auf sie zu. »Es ist das Lagerhaus des Klans! Ihr da … Was ist geschehen?«
»Öl, glaube ich. Wir haben gerade über Baumwolle verhandelt und plötzlich waren überall Flammen.« Lorn sieht Ryalth an. »Entschuldigt, Ser. Ich glaube, es geht ihr nicht gut.«
»Wer seid Ihr?«, will der Händler wissen und studiert die zwei jungen Menschen eingehend. »Welcher Klan?«
»Ich bin Buchhalter.« Wieder lodert eine riesige Flammenzunge aus dem Lagerhaus und der Händler blickt auf die Flammen, dann zurück auf das Pärchen. Ryalth lehnt sich hilfesuchend an Lorns Schulter. Der Händler eilt an ihnen vorbei auf den in Brand stehenden Teil des Lagerhauses zu und winkt die drei Männer heran, die sich vor dem gegenüberliegenden Lagerhaus aufgestellt hatten. »Wir müssen das benachbarte Gebäude mit Wasser besprengen. Es darf nicht auch noch zerstört werden.«
Lorn nimmt Ryalths Arm. »Komm, wir gehen. Lass die Truhe nicht fallen.«
Sie hasten die Straße entlang, bis sie auf den Zweiten Hafenweg stoßen, und rennen dann den Hügel hinauf.
Ryalth schaut zurück auf die immer breiter werdende Rauchsäule. »Musstest du das tun? Der ganze Block könnte abbrennen.«
»Wird er nicht. Das Dach ist aus Schiefer und außer dem Öl kann dort nichts brennen. Höchstens das, was sich in den Amphoren befindet.« Lorn zieht Ryalth zur Seite, als die Feuerwehr an ihnen vorbeirast. »Aljak hätte uns beide getötet. Deswegen war auch kein anderer da – aber zuvor hätte er sich bestimmt noch mit dir vergnügt.« Er sieht sie kurz von der Seite an, während sie rasch die Straße hinauflaufen und dann nach Osten die Untere Hügelstraße entlang eilen, fort von den Lagerhäusern. »Nicht, dass ich an seinem Geschmack etwas auszusetzen hätte …«
»Manchmal machst du mir Angst, Lorn.«
»Ich? Ich bin doch nur ein Schüler.« Er grinst sie entwaffnend an.
»Manchmal kann ich das kaum glauben.« Ohne stehen zu bleiben, blickt Ryalth auf das eingewickelte Kästchen. »Es ist schwer.«
»Darin befinden sich deine fünfhundert Goldstücke, mehr oder weniger.«
»Das kann ich nicht alles annehmen.«
»Du musst. Ich habe genommen, was ich kann. Wenn ich mehr nehme, findet es meine Familie bestimmt innerhalb weniger Tage heraus, wenn nicht schon früher.«
An der Stelle, wo der Zweite Hafenweg die Straße des Lauteren Handels kreuzt – die inoffizielle Grenze zum Händlerviertel –, bleiben die beiden unter einem hohen Nadelbaum stehen. Die dichten, dunkelgrünen Äste und der Nebel des Spätnachmittags schützen sie vor neugierigen Blicken. Lorn atmet schwer, doch die ärgsten Kopfschmerzen sind schon vergangen. Schweigend steht er für einige Augenblicke da, er denkt nach. Schließlich wendet er sich unvermittelt Ryalth zu. »Hast du einen Duft? Ein Fläschchen von dem Parfüm, das du für gewöhnlich benutzt?«
Die rothaarige junge Frau runzelt die Stirn. »Warum?«
»Verspritz ein paar Tropfen davon auf meiner Kleidung.«
Sie sucht in ihrer Gürteltasche herum, mit einem Arm hält sie noch immer die stoffumwickelte Geldkassette fest. »Du weißt, dass die Stadtwache darüber nicht sehr erfreut ist.«
»Um Düfte kümmern die sich doch gar nicht«, scherzt Lorn.
»Aber sie kümmern sich um Leute, die Feuer legen«, flüstert sie, während sie ihm etwas von dem Duftöl auf das Handgelenk träufelt.
»Ein Feuer ist immer noch besser als ein ausländischer Händler, der cyadorische Händlerinnen vergewaltigt«, erwidert Lorn und fügt hinzu: »Mehr von dem Duft.«
»Noch mehr? Das hier überdeckt schon jeden Rauchgestank.« Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Du willst, dass deine Familie erfährt, dass du mit einer Frau zusammen warst?«
»Das ist immer noch besser, als ihre Fragen über meinen tatsächlichen Verbleib beantworten zu müssen«, erklärt Lorn. »Du musst wissen, wenn man in einer Magi’i-Familie lebt, können Fragen gefährlich sein.«
»Die Leute sagen das … Stimmt es?«
»Nur eine Hand voll der Magi’i kann wahrlesen, aber die Lektoren können es alle und mein Vater ist ein Lektor.« Lorn wird ungeduldig. »Betupf meine Haut damit, meinen Hals«, verlangt er, »so viel, wie du entbehren
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