Sturm der Barbaren
und sie müssten mit den barbarischen Angriffen immer alleine fertig werden.«
Lorn nickt, sagt aber nichts dazu.
Als die Fünfte Kompanie sich dem ersten Erdwall nähert, fegt der Wind heftig über Lorn hinweg und mischt wärmere, feuchte Luft mit kalten Wirbeln. Lorn rümpft die Nase, als er jedoch den Rauch riecht, entspannt er sich: verbrannter Torf – ein viel angenehmerer Geruch als der getrocknete Mist, der in den meisten Häusern als Brennmaterial dient.
Im ersten Erdwall befindet sich ein Tor, weniger als zweihundert Ellen von der rechten Straßenseite entfernt. Es steht halb offen und eine bärtige Gestalt in einer Schaffelljacke wartet davor.
»Shofirg!«, befiehlt Nytral. »Schick vier Lanzenkämpfer voraus.«
Lorn und Nytral folgen den vier Lanzenkämpfern die zerfurchte Straße entlang auf das Tor zu; zwanzig Ellen vor dem Mann zügeln sie die Pferde.
»Wir heißen Euch und Eure Kompanie von Lanzenkämpfern willkommen, Ser«, begrüßt sie der Bauer. »Wir haben nicht viel, Ser, aber Ihr könnt Wasser haben und Euch ausruhen.«
Nytral führt sein Pferd an dem Mann vorbei und späht durch das Tor. Er untersucht das Gelände, dreht sich im Sattel um und gibt Lorn ein Zeichen.
»Wir danken Euch«, sagt Lorn zu dem bärtigen Mann, der den Kopf vor dem Unteroffizier verneigt.
»In Zweierreihen formieren!«, ordnet Nytral an. »An die Tröge. Nach Einheiten aufstellen.«
Lorn lenkt seine Stute durch das Tor und zur Nordseite des Hofes, wo er und Nytral die Lanzenreiter vorbeireiten lassen.
Der Boden innerhalb der vier Ellen hohen Einfassung ist von den vielen Schafen und Rindern aufgewühlt worden; dunkel gefrorener Lehm, der sich in wenigen Achttagen in tiefen Morast verwandeln wird, wenn nicht schon früher. Der Gestank von Tiermist durchdringt die Luft und mischt sich mit dem süßlichen Rauch des brennenden Torfs. Die Tore zum grasbewachsenen Stall hinter dem Wassertrog sind geschlossen und verriegelt, Lorn hört jedoch deutlich das leise Muhen der Rinder dahinter.
»Jeweils eine halbe Einheit zum Wasserfassen! Dubrez fängt an!«, befiehlt Nytral, dabei brüllt er über das ganze Anwesen.
Nachdem die Erste Einheit die Pferde getränkt hat und wieder aufgesessen ist, gibt Lorn vor Shofirgs Einheit seiner Stute zu trinken, während Nytral weiter zusieht. Der junge Offizier passt anschließend seinerseits auf, während Nytral sein Pferd zum Trog reitet.
Der Siedler kommt nun auf Lorn zu, der bereits wieder auf dem Rücken des Pferds sitzt.
»Hast du in letzter Zeit Barbaren gesehen?«, fragt Lorn den Einheimischen.
»Ein wenig früh für Angriffe«, antwortet der rothaarige Mann. »Die Sümpfe und die Nordseite sind noch immer gefroren …«
Lorn hört sich an, was der Mann zu sagen hat, er versteht jedoch nicht recht, warum der Zeitpunkt der Eisschmelze als Vorzeichen dabei eine so wichtige Rolle spielen soll; aber er versteht sehr wohl, warum der Hirte es damit so genau nimmt. »Haben sie jemals angegriffen, bevor das Eis geschmolzen ist?«
»Einmal, wenn ich mich recht erinnere, Ser … das war im vorletzten Jahr.«
Nytral steigt wieder auf und lenkt sein Pferd neben Lorns.
»Wünschte, wir könnten Euch mehr anbieten, Ser …« Die Stimme des Mannes klingt beinahe flehend.
Lorn versteht das Flehen, aber wenn er für all das Wasser und für jede Mahlzeit, die seiner Kompanie angeboten wird, bezahlen müsste, dann wäre seine Börse schon lange vor Ende einer jeden Patrouille leer. Ärger noch, die Pächter würden bald eine Bezahlung verlangen und Lorn weiß, wo das hinführen würde. »Das wäre mir auch lieber, Pächter. Ich wünschte auch, ich könnte dich dafür entschädigen.« Er lächelt. »Vielleicht gelingt es uns ja, ein paar Barbaren zu vertreiben.«
»Wenn Ihr das tut … dann habt Ihr mehr erreicht als die meisten in diesen Tagen.« Der Hirte neigt den Kopf.
Der letzte von Shofirgs Männern sitzt wieder auf dem Pferd und der jüngere der beiden Truppenführer lenkt sein Pferd zu Lorn und Nytral. »Alle Pferde sind getränkt, Sers.«
Lorn beugt sich zu dem Hirten hinunter. »Danke.« Dann gibt er Nytral ein Zeichen.
»Hinausreiten, Einheit für Einheit, in Zweierreihen.« Obwohl Nytral nicht brüllt und nicht schreit, hallt seine Stimme über das ganze Anwesen und noch weit über den Erdwall hinaus, so empfindet es Lorn jedenfalls.
Es ist schon bald Mittag, als die Fünfte Kompanie wieder zur Straße nach Nordosten kommt, aber der leichte Wind erwärmt sich nur
Weitere Kostenlose Bücher