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Sturm der Barbaren

Titel: Sturm der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Turm, in dem die Amtsstube des Sub-Majors untergebracht ist. Er zieht die Winterjacke aus und klopft die Feuchtigkeit aus dem geölten, weißen Leder, dann hängt er die Jacke an den Haken, der neben Kielts Schreibtisch an der Wand angebracht ist.
    »Geht nur, Ser«, meint der Haupttruppenführer. »Er wartet schon.«
    »Danke, Kielt.« Mit einem Nicken, das an den einfachen Soldaten gerichtet ist, öffnet Lorn die weiße Eichentür und betritt den Raum im Erdgeschoss des Turmes. Wie üblich sitzt Sub-Major Brevyl am Schreibtisch und blickt mit seinen harten, grünen Augen auf, teils amüsiert und teils ungeduldig. Seine dichten, weißen Haare sind kürzer geschnitten als sonst, sogar kürzer als die der neuen Lanzenkämpferrekruten. Er bedeutet Lorn, sich auf einen der Hocker auf der anderen Seite des Schreibtischs zu setzen.
    Obwohl der Spätnachmittag wolkig ist und das indirekte Licht aus den hohen Fenstern schwach, brennt nur eine Lampe in den zwei Wandleuchten, und diese eine Lampe trägt wenig dazu bei, die Düsternis zu vertreiben. Schneeregen prasselt gegen das Fensterglas.
    Lorn lässt sich auf den angebotenen Hocker sinken und wartet darauf, dass der gertenschlanke befehlshabende Offizier zu ihm spricht.
    »Unteroffizier«, beginnt der Sub-Major trocken, »Eure nächste Patrouille wird die gefährlichste von allen sein.«
    »Ser?« Lorn lehnt sich nach vorn und weiß nur zu gut, dass diese Reaktion genau das Gegenteil von dem ist, was Brevyl erwartet.
    »Es ist ganz einfach. Ihr habt einen Angriff oder auch zwei überlebt. Langsam lernt Ihr das Land, Eure Männer und Truppenführer kennen und der Frühling ist im Anmarsch. Ihr glaubt, Ihr wisst bereits etwas.« Der weißhaarige Offizier hält inne. »Nicht wahr?«
    »Mehr als damals, als ich hierher kam, aber ich muss noch viel lernen, Ser.« Lorn spürt, dass eine Antwort verlangt wird.
    »Vor allem, dass Ihr immer noch fast nichts wisst. Wenn Ihr glaubt, dass die Winterpatrouillen hart waren, dann habt Ihr keine Ahnung, was eine harte Patrouille ist. Wenn Ihr glaubt, dass die Kälte auf dem Weg nach Ramsende und zurück schon unangenehm war …« Brevyl schüttelt den Kopf. »In einem Achttag werden die Barbaren mit den Frühlingsangriffen beginnen. Die anderen haben Euch bestimmt schon geschildert, wie arg das sein kann, aber ich wette, niemand hat gesagt, warum. Wisst Ihr warum?«
    »Nein, Ser.«
    »Weil das Leben eines Barbaren nichts wert ist, solange er nicht mindestens drei Lanzenkämpfer getötet hat. Er kann keine Frau aus seiner eigenen Sippe heiraten, denn Inzucht betreiben sie nicht; und ohne das Pflichtsoll von drei toten Lanzenkämpfern kann er auch keine Frau aus einer anderen Sippe heiraten. Um also an eine Frau zu kommen, muss der Barbar töten. Sie betrachten ihre Frauen als Eigentum. Mit der Tochter eines bewährten Kriegers herumzuspielen könnte einen jungen Barbaren sein gesamtes Vermögen, wenn nicht gar das Leben kosten. Wenn er eine Cyadoranerin zur Frau nimmt, ist sie Freiwild und kann von jedem Krieger gestohlen oder vergewaltigt werden. Dasselbe gilt, wenn er eine Frau aus einem dieser schmutzigen Dörfer nimmt, die sie Städte nennen.«
    Lorn nickt bedächtig.
    »Ihre Frauen sind nicht gerade Schönheiten und die wenigen ansehnlichen Frauen heiraten einen verdienten Krieger oder einen jungen Burschen, der verrückt genug ist, sich mit einer Kompanie Spiegellanzenkämpfer anzulegen … oder schlau genug, um davonzukommen.« Brevyl schüttelt den Kopf. »Ihr seid nichts als ein Hindernis auf dem Weg eines jungen, zeugungswilligen Barbaren, eine Spielmarke, die er auf seinen Stapel legt, damit seine feuchten Träume ein Ende haben und er mit der Wirklichkeit beginnen kann.«
    »Ihr sagt das so, als zählte das Leben für die Barbaren wirklich nicht viel, Ser«, meint Lorn ruhig.
    »Solange ein Barbar kein Vollblutkrieger ist, nicht«, antwortet Brevyl trocken. »Das erzähle ich allen jungen Unteroffizieren, die durch den ersten Winter kommen. Sie alle hören es sich an und dann stirbt die Hälfte im ersten Frühling oder Sommer …« Ein Schnauben folgt auf die kurze Pause. »Es ist mir egal, wenn die Dummen unter ihnen sterben. Besser so, als sie groß werden und ganze Außenposten ausrotten lassen. Denn dumme Offiziere können gute Lanzenkämpfer töten und gute Lanzenkämpfer sind schwer zu bekommen heutzutage.«
    »Ja, Ser.«
    Brevyl atmet tief ein.
    Er gibt sich unnatürlich aufgebracht. Lorn kann sich nicht vorstellen,

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