Sturm der Barbaren
widerwärtig, aber machbar.
Lorn lacht befreiend auf und Nytral wirft seinem Vorgesetzten einen fragenden Blick zu.
»Ich lache, weil Sub-Major Brevyl mir dergleichen schon bei unserem ersten Gespräch versprochen hat«, sagt Lorn. »Er hält sein Wort. Das muss man ihm lassen.«
»Es werden Zeiten kommen, da werden wir uns alle wünschen, er täte es nicht, Ser.«
»Wahrscheinlich.«
Lorns Blick fällt auf einen kleinen grünen Fleck an einer matschigen Stelle etwa fünf Ellen neben der Straße. Ein winziger roter Punkt ist dort in der Mitte einer noch fest zusammengerollten Wildblume zu sehen.
»Blutströpfchen«, murmelt er nur und blickt zu den Hügeln im Norden, hinter denen die Barbaren lauern.
XXXI
A m späten Nachmittag, kurz vor dem Abendessen, sitzt Lorn wieder am Ecktisch im Arbeitszimmer der Offiziere und führt vorsichtig die empfindliche Bronzefeder übers Papier. Er taucht die Spitze in die Tinte und fährt mit dem Brief an Ryalth fort. Es ist kalt im Raum, denn die Wärme des stets ungenügenden und ohnehin schon verloschenen Feuers hat längst den Raum verlassen.
… habe schon lange keine Nachricht von dir erhalten. Ich hoffe, das liegt nur an einem Versehen – oder an mangelndem Interesse deinerseits an meinen gespreizten Briefen. Geht es dir gut? Blühen die Geschäfte? Wenn du ein wenig Gold übrig hast, könntest du in Kupfer-Terminkontrakte investieren … nicht allzu viel allerdings.
Lorn lächelt und runzelt gleichzeitig die Stirn, sein Blick fällt auf die vielen Landkarten neben dem linken Ellbogen. Er sollte diese Karten genauestens studieren, denn die Gebiete, in denen er Patrouillen reitet, sind ihm noch immer nicht in Fleisch und Blut übergegangen – was jedoch der Fall sein sollte, denn es wird der Tag kommen, da wird ihm die Zeit fehlen, noch lange auf die Karte zu blicken.
Er schürzt die Lippen und schreibt weiter an dem Brief.
… höchst anmaßend für einen Lanzenkämpfer, einer Händlerin einen kaufmännischen Rat zu erteilen, aber wie du weißt, hat es mir an Dreistigkeit noch nie gefehlt.
… die Anzahl der Patrouillen wird erhöht, jetzt wo der Frühling in den Grashügeln bevorsteht … und dann werde wahrscheinlich ich derjenige sein, der keine Zeit hat, zu schreiben und dir Briefe gen Süden zu schicken … Es wird dich freuen zu hören, dass ich deinen Rat bezüglich des Lesens befolgt habe und auf das achte, was du mir anvertraut hast.
Nachdem er den Gruß und die Unterschrift darunter gesetzt hat, faltet er den Brief flach zusammen. Anschließend blickt er sich in dem noch immer leeren Arbeitszimmer um. Da keiner in der Nähe ist, hält er das grüne Siegelwachsstück über das Papier und bündelt eine kleine Flamme darauf, die er aus dem Chaos der Umgebung formt. Ein Tropfen des grünen Wachses fällt aufs Papier und Lorn presst sogleich den Siegelring darauf.
»Ist doch viel einfacher …«, murmelt er leise.
Er muss auch noch an Myryan schreiben, er schiebt es dauernd vor sich her, weil er nicht weiß, ob das Gespräch mit seinem Vater über Ciesrt eine bleibende Wirkung hinterlassen hat. Da er bisher nur einen einzigen Brief von seiner jüngeren Schwester erhalten hat, was zudem schon etliche Achttage zurückliegt, macht er sich ernsthafte Sorgen.
Schließlich holt er einen kleineren Bogen Papier hervor und säubert vorsichtig die Bronzespitze der Feder. Er blickt auf das leere Blatt und denkt nach.
Chyorst – der einzige Oberst in Isahl – kommt ins Arbeitszimmer gelaufen, er blickt sich im ganzen Raum um, bevor seine Augen an Lorn haften bleiben. Nachdenklich wendet sich der Oberst an den jungen Offizier.
Lorn schiebt Feder und Papier unauffällig unter die Karten und steht auf, als der Oberst auf ihn zukommt.
»Karten?« Chyorst zieht die Augenbrauen hoch.
»Ja, Ser. Ich versuche, die Strecken nachzuvollziehen, die ich bereits abgeritten bin, und jene zu studieren, für die ich vielleicht eingeteilt werde.«
Chyorst nickt. »Kann nicht schaden. Könnte sogar helfen, solange Ihr Euch daran erinnert, dass Karten die Wirklichkeit da draußen nur unvollständig wiedergeben.« Der Oberst sieht sich noch einmal im Raum um, bevor er fragt: »Habt Ihr Jostyn gesehen, Unteroffizier?«
»Nein, Ser. Seit gestern Abend nicht mehr.«
»Danke.« Ohne ein weiteres Wort verlässt der Oberst das Arbeitszimmer.
Lorn wartet noch eine kleine Weile, bevor er sich wieder dem Brief zuwendet.
XXXII
L orn betritt den eckigen
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