Sturm der Barbaren
dritten Sommer in Isahl, verlagert Lorn einmal mehr das Gewicht im Sattel. Er wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, damit dieser nicht in die Augen laufen kann. Seine Hand ist rot vor Straßenstaub und Lorn reibt sie vorsichtig an dem Tuch ab, das er am Sattel befestigt hat. Seine vormals beigefarbene Uniform ist nun mehr rosa als beige und den Lanzenkämpfern der Fünften Kompanie ergeht es nicht besser.
Westlich der Straße, die sich an der Ostseite des Tals entlang schlängelt, erstreckt sich das Grasland über etwa vier Meilen, bevor die nächsten Hügel aufragen. Die Spitzen der Grashalme, von denen einige seiner Stute bis zur Schulter reichen, beginnen sich bereits braun zu verfärben.
Vor ihnen im Norden liegt das Tal von Ramsende und dahinter das Tal mit dem verlassenen und ausgebrannten Hof, der niemals wieder besiedelt wurde, so vermutet Lorn, weil es in dem kleinen Tal keine Bäche gibt, nur eine magere Quelle. Er fragt sich – nicht zum ersten Mal –, warum die Grashügel nun trockener sind als noch vor Jahren, als die ersten Siedler aus Syadtar hierher geschickt wurden.
Lorn hebt den Kopf leicht an, damit er das Gemurmel der Lanzenkämpfer aus der Ersten Einheit besser verstehen kann.
»… besserer Hauptmann als die meisten …«
»… immer das Gleiche … wir reiten und werden angegriffen … reiten und werden angegriffen …«
»Willst du die Barbaren vielleicht quer durch die Grashügel jagen?«
Lorn unterdrückt ein Stirnrunzeln, dann gibt er seinem Haupttruppenführer ein Zeichen.
Der bärtige Dubrez mit dem kantigen Gesicht kommt zu Lorn. Er ist nun schon über ein Jahr Haupttruppenführer. Nytral verlor durch eine barbarische Klinge ein Bein und musste in seine Heimat nach Sommerhafen zurückhumpeln.
»Ich frage mich, ob wir nicht besser zwei Späher aussenden. Sie sollen sich die nächsten zwei oder drei Täler ansehen – weit voraus.« Lorn dreht sich im Sattel, tut so, als würde er sich Dubrez zuwenden, und erhebt die Stimme, sodass ihn auch die jammernden Lanzenkämpfer hören können. »Vielleicht finden sie ja ein paar Barbaren, dann müssen wir nicht mehr so weit reiten.«
»Ja, Ser, Hauptmann«, antwortet Dubrez mit einem Funkeln in den Augen.
Lorn zieht den Cupridiumsäbel aus der Scheide, hebt ihn hoch und studiert die rasiermesserscharfe Klinge, die das beste barbarische Schwert durchstoßen kann. »Ich denke noch immer über die Späher nach. Ich hörte einige Männer sagen, dass es vielleicht eine gute Idee wäre.«
Das Gemurmel in der Kompanie verstummt.
»Natürlich können wir den Spähern im Ernstfall nicht helfen, weil wir zu weit weg sind. Es sei denn, sie sind sehr vorsichtig und können die Angreifer aufschrecken.« Lorn zuckt die Achseln. »Möchte nicht, dass sie ihnen die Hälse durchschneiden, nur damit ein schmutziger Barbar eine Frau abbekommt.«
»Nein, Ser.« Dubrez nickt.
Schweigend reiten sie weiter, dann meint Dubrez: »Jetzt jammern sie noch mehr.«
Lorn nickt. »Und es wird noch ärger werden.«
»Das ist nicht gut, Ser.«
»Das wissen wir beide.«
Die Kompanie verhält sich ruhig, das Gemurmel ist nun so leise, dass Lorn nichts mehr davon versteht, selbst wenn er seine Chaos-Sinne gebraucht. Sie reiten weiter über einen niedrigen Pass und an dem flachen Kamm entlang.
Als die Fünfte Kompanie hinabreitet in das Tal von Ramsende, betrachtet Lorn das Anwesen, das weit im Süden des Tals und näher an der Route zurück nach Isahl liegt als die meisten Häuser in tieferen Gegenden der Grashügel. Für gewöhnlich bauen die Siedler ihre Häuser in die Mitte der Täler. Aber nicht so in Ramsende.
Irgendetwas behagt Lorn nicht und er beobachtet weiter das Anwesen. »Was meint du, Dubrez?«
»Es ist ruhig … niemand zu sehen, es ist fast Mittag.«
Lorn nickt und reitet weiter, er lässt das Haus nicht aus den Augen.
Dann erreichen sie den Bach und die breite, seichte Furt. Lorn entdeckt Hufspuren – sogar sehr viele davon. Er wirft einen Blick auf die grasbewachsenen Wände des Anwesens und fühlt, dass etwas nicht stimmt. Das Tor ist aus den Angeln gefallen, das kann er schon aus einer halben Meile Entfernung erkennen; und obwohl es auf die Mittagszeit zugeht, steigt aus dem Kamin des Wohnhauses nur eine graue, dünne Rauchlinie, was auf ein ausgehendes Feuer hinweist.
Die kleine Herde schwarzgesichtiger Schafe, die südwestlich des Tores grast, ist unbeaufsichtigt – etwas, das Lorn in den drei Jahren, die er nun
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