Sturm der Herzen
auch nicht Roseanne.«
Isabel lächelte traurig. »Ich denke, du vergisst, wie entschlossen und stur ich sein kann, wenn ich etwas möchte. Ich habe Hugh gar keine Zeit gelassen, darüber in Ruhe nachzudenken, was wir vorhatten. Ich habe ihn zu der Hochzeit getrieben.«
»Du warst siebzehn!«, wandte Marcus aufgebracht ein. »Und er war dreißig oder älter. Er hätte es besser wissen müssen.«
Isabel winkte ab. »Das ist doch jetzt auch nicht mehr wichtig. Was jetzt noch wichtig ist, ist Edmund und sein Schicksal.«
Marcus zügelte die ungewohnte Wut, die ihn erfasst hatte. »Ja, ja, natürlich. Erzähl mir den Rest.«
»Sobald der Arzt gegangen war und auch die anderen uns allein gelassen hatten, ist Roseanne damit herausgeplatzt, dass sie Hughs Kind erwartete. Ich war entsetzt, weil sich dadurch alles änderte. Sie war nicht nur nicht länger in der Lage, den Mann zu heiraten, den sie liebte, sondern nun ging es zudem um ein Kind. Sie wäre ruiniert, aber schlimmer noch war, dass das Kind unweigerlich unehelich wäre, nur ein weiterer Bastard eines hochgeborenen Herrn. Von Beginn an waren Roseanne und ich in dem Entschluss einig, das zu verhindern, glücklicherweise sah Hugh das nicht anders.«
Marcus’ Großvater, der »Alte Earl« war dafür berüchtigt gewesen, die englische Landschaft mit seinen Bastarden zu bevölkern, daher war Marcus gut in der Lage, das zu verstehen und nachzufühlen. Ihn hatte die Achtlosigkeit, mit der sein Großvater die zahlreichen Folgen seiner Liebschaften hingenommen hatte, stets abgestoßen, auch wenn der Earl alle seine unehelichen Kinder anerkannt und sogar versorgt hatte. Aber selbst das vermochte den Stachel der Unehelichkeit nicht zu nehmen. Die gute Gesellschaft war ihnen verwehrt, und ihre Stellung war nicht immer einfach. Hugh hatte versucht, sich ehrenwert zu verhalten, und Marcus würde ihm daraus auch keinen Vorwurf machen, selbst wenn er ihm die Schuld an der ganzen vertrackten Situation gab. Da Isabel ihn erwartungsvoll anschaute, sagte er: »Also seid ihr beide, du und Roseanne, gemeinsam nach Indien gesegelt, um Hugh mit dem Problem zu konfrontieren - der dafür schließlich auch zuständig war.«
»Ja. Ich habe Mrs Wesson entlassen und sie durch Roseanne ersetzt, dann habe ich Mr Babb aufgetragen, die notwendigen Arrangements zu treffen und die zusätzlichen Sachen zu kaufen, die wir brauchten.« Sie schaute an sich hinab, merkte aber gar nicht, dass sie mit den Händen den Stoff ihres Morgenrockes faltete und wieder glatt strich. »Die Reise nach Bombay war grässlich. Unsere Kabine war eng, das Essen an Bord gegen Ende der Reise nahezu ungenießbar. Wir haben mehr als vier Monate gebraucht, und Roseanne war beinahe die ganze Zeit seekrank. Sie war ohnehin nicht sonderlich kräftig und robust, sodass ich mir große Sorgen gemacht habe, sie könnte sterben oder das Baby verlieren. Ich war die ganze Zeit außer mir vor Angst.«
»Ich nehme an, ihr habt Mr Akridge nicht eingeweiht.«
»Genau. Wir haben kaum die Kabine verlassen.« Isabel sah schuldbewusst aus. »Vermutlich habe ich da schon überlegt, wie ich Roseanne und ihr Kind am besten schützen kann. Die Idee, das Kind als meines auszugeben und Roseanne als sein Kindermädchen und seine Amme, war mir bereits gekommen. Es gab noch ein paar Schwierigkeiten, aber nichts, das sich meiner Meinung nach nicht überwinden ließe. Ich war mir sicher, dass Hugh einverstanden wäre. Das Hauptproblem wäre das Geburtsdatum.« Sie schaute Marcus an. »Edmund ist in Wirklichkeit sechs Wochen älter, als alle glauben.«
»Das habe ich mir schon gedacht.« Er nahm einen großzügigen Schluck von seinem Brandy. Er sah, dass sein Schwenker nun leer war und schenkte sich nach, dann stellte er sich an den Kamin und stützte einen Ellbogen auf den Sims. Mit einem Blick zu Isabel fragte er: »Und wie hat Hugh reagiert, als ihr beide auf seiner Türschwelle aufgetaucht seid?«
»Oh, Marcus!«, flüsterte sie mit feucht glitzernden Augen. »Du hättest sein Gesicht sehen müssen, als er Roseanne erblickte. Er schien von innen zu leuchten. Und die Liebe …« Sie brach erstickt ab, schluckte den Schluchzer herunter. »Sein ganzes Gesicht, sein ganzes Wesen strahlte vor Liebe. Er war überglücklich, sie zu sehen.« Ihre Stimme wurde belegt. »Und dann fiel sein Blick auf mich … Es war furchtbar. Der schlimmste Augenblick in meinem Leben.«
»Gütiger Himmel! Sicherlich hat der Kerl dir keinen Vorwurf daraus gemacht,
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