Sturm der Herzen
am Ende Edmunds Abstammung in Zweifel ziehen.«
»Besonders, wenn jemand wie Whitley zu erzählen beginnt«, erklärte Isabel unglücklich, »wie ich und meine Gesellschafterin auf einmal verschwunden sind und uns praktisch sofort nach unserer Ankunft in Bombay auf Hughs Landsitz zurückgezogen haben.« Ein ängstlicher Ausdruck glitt über ihre Züge. »Die ganze Geschichte hält, solange niemand genauer nachschaut und die Fakten überprüft, stand. Mehrere Dienstboten, die im Stadthaus der Mannings in London gearbeitet haben, sind noch am Leben. Roseanne und ich waren sehr vorsichtig und haben uns bemüht, ihre Schwangerschaft zu verbergen. Damals war sie noch nicht weit, und man konnte nichts sehen, daher denke ich nicht, dass sie etwas bemerkt haben«, gestand sie. »Aber sie wussten von ihrer überraschenden Ankunft und der Tatsache, dass ich Mrs Wesson entlassen und durch Roseanne ersetzt habe.« Sie seufzte. »Was Mrs Wesson betrifft oder den Arzt, der Roseanne nach ihrer Ankunft untersucht hat, oder sonst jemanden, der sich vielleicht noch an die Zeit erinnert, ehe wir nach Bombay gesegelt sind, so weiß ich von ihnen nichts, auch nicht, wo sie im Moment leben. Und die Dienstboten in Indien haben wir versucht, auf Abstand zu halten, aber ich bin mir sicher, dass manche von ihnen die Wahrheit kannten oder mindestens ahnten. Wenn Whitley mit einem von ihnen gesprochen hat oder, noch schlimmer, gar jemanden von ihnen nach England gebracht hat, wären die Folgen schrecklich.«
»Ich denke nicht, dass wir das Auftauchen von einem ehemaligen Diener aus Indien zu fürchten haben. Wenn Whitley jemanden hätte, der wirklich Bescheid weiß, hätte er einen entscheidenden Vorteil gehabt, aber nach dem, was du mir erzählt hast, hat er nie mehr getan, als anzudeuten, er wüsste mehr.« Er schaute auf den Anhänger. »Ich glaube eher, das hier war alles, was er hatte - außer der Tatsache, dass du dich direkt nach deiner Ankunft in Bombay aufs Land begeben hast und erst mit deinem Sohn wieder aufgetaucht bist, was an und für sich nichts Ungewöhnliches ist. Frauen deines Standes erscheinen grundsätzlich vor der Geburt ihres Kindes nicht mehr in der Öffentlichkeit, sondern ziehen sich aufs Land zurück, um auf ihre Niederkunft zu warten.«
Isabel machte aufgeregt einen Schritt weg von ihm. »Ich weiß, und ich habe nie geglaubt, selbst in meinen dunkelsten Stunden nicht, dass Whitley etwas Hieb- und Stichfestes hatte. Meine Sorge war vielmehr, dass er einen schlimmen Skandal lostreten, Klatsch und Gerüchte in die Welt setzen könnte, sodass Edmund es den Rest seines Lebens ertragen müsste, dass man hinter seinem Rücken über seine Abstammung flüstert. Die meisten Mitglieder der guten Gesellschaft würden es nicht weiter beachten, aber die Fragen würden bleiben und ständig hinge das Stigma über ihm. Das konnte ich nicht zulassen.«
Interessiert erkundigte er sich: »Angenommen, das Schlimmste geschähe und Whitley verbreitete seine Lügen, wenn Lord Manning dich geradeheraus fragte, was würdest du antworten?«
Sie schaute ihn offen an und erklärte ruhig: »Ich würde ihm sagen, dass Whitley ein Lügner sei und dass Edmund Hughs und mein Sohn sei. Ohne irgendeinen Zweifel.«
Er nickte, als sei er einer Meinung mit ihr. Sein Blick fiel wieder auf den Anhänger. »Ich glaube, dieses Schmuckstück hier muss verschwinden«, stellte er fest.
Bestürzt fragte sie: »Müssen wir es zerstören? Es sind seine Eltern. Ich dachte …« Sie seufzte. »Nein, du hast recht. Ich könnte Edmund nie die Wahrheit sagen.«
»Himmel! Das will ich hoffen«, rief Marcus. »Wozu sollte das gut sein?«
»Du hast ja recht, ich weiß.« Sie sah ihn unglücklich an. »Ich fühle mich nur so schuldig.«
Er schüttelte den Kopf. »Das musst du nicht. Die Zeit für Schuldgefühle ist längst vorüber.«
Sie nickte zögernd und strich mit dem Finger über das Medaillon in seiner Hand. »Was tun wir damit?«
»Komm mit«, sagte er und ging zurück in sein Schlafzimmer. Sobald sie dort waren, nahm er die beiden Bilder heraus und warf sie ins Feuer.
Isabel stand neben ihm, sie empfand eine Mischung aus Erleichterung und Schmerz, während sie zuschaute, wie die kleinen Gemälde in Flammen aufgingen. Als nichts mehr zu sehen war, frage sie, ohne den Blick von dem Feuer zu wenden: »Und das Medaillon?«
Marcus schaute es sich lange Zeit an, dann warf er es auch auf den Rost. Aus der hölzernen Kiste in der Nähe nahm er mehrere Scheite
Weitere Kostenlose Bücher