Sturm der Leidenschaft (German Edition)
gereinigt?“
Der dünne Mann beugte sich in die Öffnung und blickte nach oben.
„Ich muss doch sehr bitten“, stieß Mary hervor, die augenblicklich in ihrer Ehre als guter Geist des Hauses gekränkt war.
„Mr. Stevenson … Sie werden verstehen, dass dies alles für uns … verwirrend ist. Wären Sie eventuell so freundlich, uns in Kenntnis zu setzen, was die Natur Ihres Besuches angeht?“
Er zog seinen Kopf aus dem Kamin und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf.
„Aber gewiss doch. Sie haben ja ein Recht darauf!“
In seiner Stimme lag eine gewisse Empörung, die Anne verblüffte. Gerade so, als wolle er sie dafür schelten, dass sie erst jetzt gefragt hatte.
„Nun … Wie Sie vielleicht wissen, hat Mister Hall mit meinem Herrn Karten gespielt. Und mit einem Freund meines Herrn … Und unglücklicherweise …“ Seine Mundwinkel wanderten abwärts und er wirkte ehrlich bedrückt.
„… hat er sehr hoch verloren …“
Anne fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen.
„Wie hoch?“, stieß sie gepresst hervor.
„Nun … Er hat den Hof als Pfand gegeben.“
Alles um sie herum schien sich zu drehen.
Mr. Stevenson stand mitten im Raum und hatte nicht wenig Ähnlichkeit mit einem Bestattungsunternehmer.
Seine Schultern hingen herab und das kleine Notizbuch baumelte am Ende seiner langen Arme.
„Es tut mir so leid, meine Damen. Aber ich kann ihnen keinen anderen Bescheid geben. Es verhält sich so, dass mein Herr und sein Freund, Mister Page, den Hof jederzeit übernehmen, respektive veräußern können.“
Anne spürte ein heftiges Zittern durch ihren Körper rasen. Es war so schlimm, dass sie fürc htete, sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können, weswegen sie sich setzte.
Schock und Entsetzen spiegelte sich auf den Gesichtern der beiden Frauen.
„Aber das kann doch nicht sein“, murmelte Mary und zerknüllte ihre Schürze.
„Sie wissen doch, dass er gespielt hat?“, fragte Mr. Stevenson und die beiden nickten stumm.
Er presste die Lippen zusammen und brummte etwas, das sie nicht verstanden.
Gerade aber, als Anne nachfragen wollte, hörten sie das Schnauben eines Pferdes.
„Sie sollten zusehen, dass Sie verschwinden …“, sagte Anne und sprang auf. Etwas hielt sie davon ab, Mr. Stevenson zu berühren. „Mein Bruder kann sehr wütend werden …“
Sie hoffte, dass ihn dies dazu bringen würde, das Haus zu verlassen. Auf keinen Fall wollte sie es zu einer Auseinandersetzung kommen lassen, bei der der dünne Mr. Stevenson mit Sicherheit das Nachsehen haben würde.
Doch der schien sich der Gefahr gar nicht bewusst zu sein, in welcher er schwebte.
„Mary!“, brüllte es da. „Kümmer dich um den Gaul!“
Im gleichen Moment flog die Türe auf und John stand im Zimmer.
Verwirrt sah er von einem zum nächsten.
„Was ist denn hier los?“
Annes Mut sank ins Bodenlose.
Jetzt war alles verloren. John würde einen Tobsuchtsanfall bekommen und Stevenson niederschlagen. Und dies wäre dann das Ende. Denn keiner seiner Gläubiger würde wohl hinnehmen, dass er ihren Boten verletzt hatte.
„Mister Stevenson?“, stieß er hervor.
Mary und Anne hielten die Luft an. Sie brauchten keine Worte, um klar zu machen, dass sie beide das Gleiche dachten und … fürchteten.
Stevenson jedoch, weit davon entfernt, sich schuldig oder ertappt zu fühlen, lächelte den eigetretenen Hausherrn fröhlich an und machte seinen tiefen Kratzfuß.
„Wie kann ich Ihnen … Was tun Sie hier?“, sagte er mit gepresster Stimme.
„Nun, ich nehme die Maße, Master Hall“, erwiderte der dünne Mann und hob sein Büchlein in die Höhe.
Anne, die das Schlimmste erwartete, sah sich getäuscht, denn ihr Bruder ging nicht etwa einem rasenden Stier gleich auf den Eindringling vor, sondern – ganz im Gegenteil – setzte seine freundlichste Maske auf und fragte in verbindlichem Ton:
„Hat man Ihnen denn schon etwas zu trinken angeboten, Sir?“ Womit er einen eher symbol ischen Schritt in Richtung Küche machte.
„Tee? Oder etwas Stärkeres gegen die ekelhafte Kälte?“
Anne ihrerseits hatte alle Mühe, die Situation einzuordnen und ihren Bruder zu begreifen.
„Oh, wenn Sie Brandy oder Solcherlei für mich hätten … Aber erst, wenn ich fertig bin … Bitte.“
John behandelte Stevenson wie einen Mann, der einen exorbitanten Preis für den Hof gezahlt hat und kaum wie einen, der gekommen war, Spielschulden einzutreiben und zu diesem Zweck allen Bewohnern die Existenz zu
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