Sturm der Leidenschaft (German Edition)
und schloss die Augen.
Die Kühle des steinernen Bodens übertrug sich auf sie, doch sie spürte es nicht.
Es war das Licht der zweiten Kerze, die hereingetragen wurde, das sie den Kopf leicht heben ließ.
„Um Gottes Willen, Anne … Was ist denn mit dir?“
Mary beugte sich zu ihr herab und sah ihr entsetzt ins Gesicht.
„Er hat ihn ermordet. Declan ist tot.“
Widerstandslos ließ sie sich von Mary hochziehen und auf einen Schemel setzen.
„Das kann nicht sein“, erwiderte die Köchin tonlos. Schwer ließ sie sich auf einen Sitz fallen und starrte Anne an.
„Er hat mir vorhin die Leiche gezeigt. Es ist wahr. Er sagt, er habe ihn erschossen, als er davongeritten ist.“
Marys Mund stand ein wenig offen und man sah ihren Augen die Fassungslosigkeit an, die sie erfasst hatte.
„Declan kann nicht tot sein, Anne. Es kann einfach nicht sein. John muss dich angelogen haben …“
Anne bewegte langsam den Kopf hin und her.
„Mary – Ich habe ihn gesehen. John hat ihn ermordet!“
Die beiden Frauen saßen im Licht der beiden Kerzen und wussten nicht mehr weiter.
„Mary … Was soll ich nur tun? Die Vorstellung, ihn nie mehr zu sehen, ist mir unerträglich.“
Die Köchin ergriff ihre Hand.
„Jetzt kannst du dich nur noch selbst retten … Gib seiner Lordschaft dein Ja-Wort. Rette dich nach Haversham House.“
Anne sah sie ebenso erschrocken wie verwundert an.
„Aber wie kann ich denn einen Mann heiraten, wenn ich einen anderen liebe?“
„Findest du ihn etwa abstoßend?“
„Aber nein. Keineswegs“, beeilte sich Anne zu versichern.
„Dann gebe ich dir einen Rat: Behalte Declan in deinem Herzen. Er hätte gewollt, dass du dich rettest vor John. Vor allem – Was ist die Alternative? Wenn du Lord Alderton ablehnst … wird John uns beide umbringen. Er hat ja jetzt bewiesen, dass er da keinerlei Skrupel kennt.“
Anne sah ein, dass Mary Recht hatte.
Die Situation war absolut ausweglos.
„Ich kann es nicht, Mary. Wie kann ich mit einer solchen Lüge eine Ehe eingehen?“
Die Köchin erhob sich und schürte die Flammen im Herd, die langsam herunterbrannten.
„Du und Declan … Das wäre niemals gegangen. Wie denn?“
Anne hob ruckartig den Kopf und starrte Mary an.
„Ich bin schuld … Vor einiger Zeit hat er zu mir gesagt, wir sollten gemeinsam von hier weggehen. Abhauen. Und ich habe mich gedrückt. Ich hatte Angst. Habe ihm tausend Bedenken vorgetragen … Wäre ich damals mit ihm gegangen … hätte ich nur einen Funken mehr Mut gehabt … Er wäre heute noch am Leben.“
„Was wäre wenn … Anne! Das ist doch Humbug. Von was hättet ihr denn leben wollen? Niemand hätte euch in Stellung genommen. Verhungert wäret ihr in der ersten Woche. So sieht es doch aus.“
Anne schüttelte den Kopf.
„Er würde noch leben, wenn ich nicht so ein schrecklicher Feigling gewesen wäre.“
„Das ist Nonsens, sage ich dir noch einmal. Hör auf, dir die Schuld zu geben. Wenn jemand Schuld trägt, dann John. Aber glaube mir – er kann sehr gut damit leben. Du aber sieh zu, dass du hier weg kommst. Es ist vielleicht deine einzige Chance.“
„Deswegen also soll ich ihn heiraten?“
„Nenn mir einen besseren Grund!“
Mary stand kerzengerade vor ihr und sah sie mit hochmütigem Blick an.
Nein, sie kannte wirklich keinen besseren.
Die Entscheidung
Die Tage vergingen und Anne konnte sich zu keiner Entscheidung durchringen.
Oder – besser gesagt – sie konnte sich nichtdazu durchringen, die Entscheidung, die sie getroffen hatte, laut auszusprechen.
„Vielleicht klingt es verrückt …“, sagte sie mit ruhiger Stimme zu Mary, als sie eines Abends am Feuer saßen und Kleider flickten, während draußen der Schnee in dicken, gleichmäßigen Flocken niederschwebte.
„…aber ich kann ihm mein Wort nicht geben. Ich habe immer das Gefühl, dass Declan noch lebt und wenn ich einen anderen heirate, so verrate ich ihn. Dann … begehe ich ein großes Unrecht.“
Mary biss ihren Faden mit den Zähnen ab und machte einen Knoten in das freie Ende.
Mit zusammengekniffenen Augen fixierte sie das Nadelöhr und schob dann die angefeuchtete Spitze des Fadens hindurch.
„Du weißt, dass das Humbug ist. John hat dir sogar die Leiche gezeigt. Wenn du dir jetzt dieses Gefühl einredest, so ist es nichts als Flucht vor der Wahrheit.“
Entschlossen stach sie die Nadel in den Stoff.
„Declan ist das einzige Glück, das ich in meinem Leben kennen gelernt habe“, sagte Anne matt
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