Sturm der Leidenschaft (German Edition)
ihr einen Morgenmantel hin, der Annes Mutter gehört hatte.
Ihre letzten Kräfte mobilisierend stieg sie aus dem Alkoven und schlüpfte in den cremefarbenen Mantel.
Dann folgte sie Mary langsam nach unten.
Als Lord Alderton sie sah, ging ein leises Leuchten über sein Gesicht. Er streckte ihr beide Hände entgegen und ergriff die ihren.
„Meine Liebe … Solange wusste ich warten …“
Dann zog er sie in seine Arme. Wie groß und kräftig er war.
„Aber glaube nicht, dass ich auch nur eine Sekunde bereuen würde!“
„Man darf also endlich gratulieren?“, triumphierte John.
„Ja. Unsere kleine Teufelin hier hat vergangene Nacht sang und klanglos ein Schreiben an mich abgegeben, in dem sie meinen Antrag angenommen hat …“
John nickte zufrieden.
„Ja, ja. Unsere kleine Teufelin“, echote er die Worte seines künftigen Schwagers.
Braut wider Willen
Die Zofe hatte das Korsett so fest gezogen, dass Anne kaum noch Luft bekam. Über Krinoline und Unterröcke kam endlich das eigentliche Brautkleid aus elfenbeinfarbenem Moiree Antique. Anne mochte das changierenden Spiel aus glänzend und matt, welches den Stoff wirken ließ, als sei er aus Wasser angefertigt worden.
In ihrem straff aufgesteckten Haar war eine Tiara aus dem Besitz der Aldertons angebracht worden, das man mit einzelnen Orangenblüten aus Wachs verziert hatte.
An der diamantenen Tiara wiederum war der Schleier befestigt, der - eingefasst von Honiton Spitze – ebenso lang war wie die Schleppe, die von ihren Schultern herabfloss.
Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, kam sie sich vor wie eine Herzogin auf dem Weg zur Krönung.
Doch dies war nur eine kleine Unterbrechung in ihrem ansonsten taub gewordenen Leben.
Sie hatte einige Wochen damit zugebracht, gemeinsam mit Agnes und Mary ihren Trousseau zusammenzustellen. Aber dies täuschte sie kaum darüber hinweg, dass ihr neues Leben ke inen Inhalt hatte.
„Du wirst dich einfinden“, hatte Edward gesagt und dabei zuversichtlich dreingeschaut.
In diesem Bestreben hatte er auch Bälle gegeben, Soireen und Matineen zu denen er allerhand Künstler gebeten hatte, die England bereisten und Gastspiele gaben.
Die Distanziertheit mit der die Menschen aus Edwards Umfeld ihr begegnet waren, hatte sie klaglos hingenommen. Es war ihr schon wesentlich Schlimmeres widerfahren.
Und nun stand sie da in Spitze und Diamanten.
„Deine Blumen“, sagte Mary und reichte Anne einen üppigen Strauß, der duftend die Blüten über ihren Arm zu ergießen schien.
Sie atmete tief durch.
Es würde nicht der einzige Tag bleiben, an dem sie dies alles tragen würde. Sie wusste, dass sich für den folgenden Tag ein Maler angesagt hatte, der ein großes Ölporträt von Anne a nfertigen sollte.
„Außerdem wirst du es bei Hof tragen. Man wird dich Ihrer Majestät präsentieren“, hatte Agnes ihr erläutert.
„Wie wunderschön du aussiehst“, hatte Mary erklärt und ihre Augen hatten geleuchtet.
„Die Kutsche wartet“, hatte John verkündet, der seit Stunden aufgeregt vor der Tür hin und her zu laufen schien, da er doch seine Schwester zum Altar führen sollte.
Anne nickte und ging hinaus, während Mary ihre Schleppe vorsichtig hinter ihr hertrug.
John erstarrte förmlich, als er sie sah.
„Gottverdammt …“, brummte er.
Vorsichtig, als liefe sie über dünnes Eis, schritt Anne die große Freitreppe hinab. Sie hatte sich noch immer nicht an die weiten Krinolinen gewöhnt und musste sich am Handlauf fes thalten um nicht zu stürzen.
Unten angekommen, legte die Zofe sacht ein weites, mit Hermelin eingefasstes Cape um Anne.
Dann wurden beide Seiten der Eingangstür geöffnet und sie blickte hinaus in eine atemberaubende Winterlandschaft.
Der Schnee funkelte und glitzerte, als hätte Gott Diamanten über der Welt ausgestreut.
Der Himmel war dabei von solch strahlendem Blau, wie man es im Norden nur ganz selten erlebte.
Die Äste der Bäume bogen sich unter den gewaltigen Schneemassen, die sich wie dicke Ki ssen auf ihnen gesammelt hatten.
In der Kutsche selbst hatte die Dienerschaft für angenehme Atmosphäre g esorgt, indem man allenthalben Wärmflaschen und Felldecken verteilt hatte.
John half ihr hinein und die Damen hatten damit zu tun, Kleid und Schleppe unterzubringen.
Dann reichte man ihr den Blumenstrauß und die Fahrt zur Dorfkirche konnte losgehen.
Eigentlich hatte man vorgehabt, die Trauung in jener Kirche abzuhalten, die nur wenige Gehminuten vom Herrenhaus entfernt
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