Sturm der Leidenschaft
der Herzogin erklärten sich alle Schneiderinnen und Modistinnen bereit, die Acht-Wochen-Frist einzuhalten, obwohl sie mit Aufträgen für die kommende Saison bereits überlastet waren. Offenbar betrachteten sie es als eine Ehre, für die künftige Herzogin von Claymore arbeiten zu dürfen - und für eine ausgezeichnete Werbung für ihre Salons.
Am fünften Tag erhielt Whitney jedoch den Besuch eines Dieners, der ihr knapp und bündig mitteilte: »Seine Gnaden wünscht Sie in seinem Arbeitszimmer zu sehen - unverzüglich.« Mit einer unbehaglichen Vorahnung eilte Whitney durch die Halle, nickte einem seriös wirkenden Mann zu, der ihr mit einem flachen, rechteckigen Kasten unter dem Arm begegnete, und betrat Claytons Arbeitszimmer. Sie schloß die Tür, versank in einem scherzhaften Knicks und meinte: »Sie haben mich rufen lassen, Euer Gnaden?«
Clayton stand vor seinem Schreibtisch und blickte ihr stumm entgegen.
»Ist... ist irgend etwas geschehen?« erkundigte sich Whitney nach kurzem Schweigen.
»Nein. Komm bitte her.« Obwohl sein Ton freundlich klang, lag ein merkwürdiger Emst in seiner Stimme.
»Clayton, was ist?« fragte Whitney und eilte auf ihn zu. »Was . . .«
Er umfing sie in einer leidenschaftlichen Umarmung. »Nichts ist geschehen«, sagte er mit seltsam rauher Stimme. »Ich habe dich vermißt, das ist alles.« Er löste einen Arm von ihrer Taille, griff hinter sich und nahm eine schmale Samtschatulle vom Schreibtisch. »Zuerst dachte ich an einen Smaragd«, sagte er mit der gleichen, freundlich-ernsten Stimme. »Doch den hätte der Glanz deiner Augen in den Schatten gestellt.« Er öffnete den Deckel der Schatulle, und ein wundervoller Diamantring schickte sein prachtvolles Farbenprisma bis an die Stuckarbeiten der Zimmerdecke.
Mit angehaltenem Atem blickte Whitney fast ehrfurchtsvoll auf den Edelstein. »Noch nie habe ich etwas so . ..« Sie brach ab, Tränen des Glücks stiegen ihr in die Augen.
Sanft griff Clayton nach ihrer Hand und steckte ihr den Ring an den Finger. Immer noch atemlos blickte Whitney auf ihre Hand und den Beweis, daß sie tatsächlich zu Clayton gehörte. Sie gehörte ihm, und alle Welt konnte es sehen.
Sie war nicht mehr Whitney Allison Stone, die Tochter ihres Vaters sowie Lord und Lady Gilberts Nichte. Jetzt war sie die Braut des Herzogs von Claymore, seine zukünftige Frau. Von einem Augenblick zum anderen hatte sie ihre Identität verloren und eine neue erhalten. Sie wollte ihm sagen, wie wunderschön der Ring war, daß sie ihm unendlich dankbar war, doch alles, was ihr über die Lippen kam, war ein gehauchtes: »Ich liebe dich«, bevor die Tränen zu fließen begannen und sie den Kopf schnell an seiner Brust barg. »Ich bin nicht traurig«, versicherte sie ihm hastig, als er sie tröstend in die Arme nehmen wollte. »Ich bin glücklich!«
»Ich weiß, Kleine«, flüsterte er und hielt sie so lange in den Armen, bis die Emotionen, die auch ihn überwältigt hatten, als er den Ring vor wenigen Minuten ausgewählt hatte, abgeklungen waren.
Schließlich hob sie den Kopf von seiner Brust, lächelte ein wenig verlegen und streckte die Hand von sich, um das wunderbare Funkeln des Solitärs zu bewundern. »Er ist das Herrlichste, was mir je vor die Augen gekommen ist«, meinte sie versonnen, »mit Ausnahme von dir.«
Eine Woge des Verlangens überkam Clayton bei ihren Worten, und er senkte den Kopf, um ihren Mund mit seinen Lippen zu bedecken, beherrschte dann aber seine Empfindungen, denn es gab neuerdings eine gewisse Grenze für die Erregungen, die sein Körper ertragen konnte. Statt dessen meinte er neckend: »Ich hoffe, Sie machen es sich nicht zur Gewohnheit, jedesmal in Tränen auszubrechen, wenn ich Ihnen ein Schmuckstück schenke, sonst müssen wir am Ende noch Eimer kommen lassen, wenn Sie die Juwelen sehen, die meinen Großmüttern gehört haben.«
»Hat dieser Ring denn nicht einer deiner Großmütter gehört?«
»Nein. Zur Verlobung bekommen die künftigen Herzoginnen von Claymore nie Schmuck, der bereits einer anderen gehört hat. Das ist Tradition. Aber dein Hochzeitsschmuck wird ein Erbstück sein.«
»Gibt es noch weitere Traditionen in der Familie Westmoreland?« erkundigte sich Whitney mit einem Lächeln voller Liebe.
Claytons Beherrschung bekam Risse. Er zog sie in die Arme, sein Mund senkte sich hungrig auf ihre Lippen. »Wir könnten eine begründen«, flüsterte er heiser. »Sag mir, daß du mich willst. ..«
»Ich liebe dich«, sagte sie
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