Sturm der Leidenschaft
statt dessen, aber Clayton spürte, daß sich ihr Körper unbewußt näher an ihn drängte. Mit einem tiefen, kehligen Lachen hob er den Kopf. »Ich weiß, daß du mich liebst, Kleine. Aber ich weiß auch, daß du mich willst.«
Gerade noch rechtzeitig erinnerte sich Whitney daran, daß ihre Tante und die Schneiderinnen bereits auf sie warteten. Sie trat schnell einen Schritt zurück. »Wäre das alles. Euer Gnaden?« fragte sie und versank lächelnd wieder in einem höflichen Knicks.
»Für den Augenblick ja, vielen Dank«, erwiderte er unpersönlich, aber als sie sich umdrehte, gab er ihr einen kleinen Klaps auf den Allerwertesten.
Whitney blieb wie angewurzelt stehen und warf ihm über die Schulter einen warnenden Blick zu. »An deiner Stelle würde ich mich an das erinnern, was passierte, als du mich von dem Rutherford-Ball hierher gebracht hast.«
Ein Lachen zuckte um seine Mundwinkel. »Muß ich das so verstehen, daß du die Absicht hast, die Gemälde von den Wänden zu fegen?«
Verdutzt blickte Whitney auf die Portraits in den schweren Goldrahmen und dann in Claytons lachendes Gesicht. »Ich dachte, ich hätte dir eine Ohrfeige verpaßt.«
»Du wolltest, hast mich aber verfehlt.«
»Tatsächlich?«
»Ich fürchte ja«, bestätigte er ernst.
Whitney unterdrückte ein Kichern. »Wie unangenehm.«
»Nicht für mich . ..«
Nach dem Abendessen zogen sich alle in den Salon zurück. Die Herzogin und Tante Anne erzählten sich die neuesten Gerüchte, während Stephen Whitney mit Schilderungen aus Claytons Kinderzeit unterhielt, denen sein Bruder mit einer Mischung aus tiefem Mißbehagen und extremer Langweile zuhörte.
»Und dann, mit ungefähr zwölf Jahren, erschien Clay nicht zum Frühstück. Da er auch nicht in seinem Zimmer war, begannen Vater und die Diener das ganze Gelände zu durchkämmen. Am späten Nachmittag wurde Clays Hemd am Ufer des kleinen Flüßchen gefunden, das an dieser Stelle recht tief ist. Sein Boot war noch da, weil Vater ihm verboten hatte, damit hinauszufahren . ..«
»Warum durftest du denn nicht mit deinem Boot fahren?« erkundigte sich Whitney, noch atemlos vor Lachen über die letzte Geschichte.
Clayton blitzte seinen Bruder verärgert an, mußte dann aber unwillkürlich selbst lächeln. »Wenn ich mich richtig erinnere, war ich nicht anständig angezogen am Abend zuvor zum Dinner erschienen.«
»Nicht anständig angezogen?« lachte Stephen schallend. »Du bist in Reitkleidung und Stiefeln aufgetaucht, eindeutig nach Pferdeschweiß riechend und die Finger voller Schießpulver, weil du mit Vaters Duellpistolen herumhantiert hast!«
Clayton musterte seinen Bruder mit einen vernichtenden Blick, während Whitney vor Lachen fast vom Sessel fiel. »Weiter, Stephen«, bat sie übermütig. »Was geschah dann, nachdem Claytons Hemd am Ufer gefunden wurde?«
»Nun, jedermann nahm natürlich an, daß Clay ertrunken sei und eilte an den Ort des Geschehens - Mutter in Tränen aufgelöst und Vater weiß wie die Wand. Und dann tauchte Clay mit einem unmöglich zusammengeschusterten Floß um die Flußbiegung auf. Alle hielten den Atem an und rechneten jeden Augenblick damit, daß das Floß kenterte, als er auf sie zusteuerte. Aber Clay brachte es sicher ans Ufer, sprang mit der Angel in einer und einem Riesenfisch in der anderen Hand an Land und war höchst verblüfft, daß ihn alle fassungslos anstarrten.
Mutter brach prompt erneut in Tränen aus, und Vater fand endlich seine Stimme wieder. Er setzte zu einer Gardinenpredigt über Clays unmögliches Benehmen, seine Unvernunft und das Fehlen seines Hemdes an, als ihn Ihr künftiger Ehemann sehr ruhig darauf hinwies, daß es sich für Vater nicht schickte, ihn vor den Dienern derart abzukanzeln.«
»Oh«, hauchte Whitney und drückte sich tiefer in die Polster. »Und was ist dann geschehen?«
Clayton schmunzelte. »Vater gab mir insofern recht, daß er die Diener fortschickte«, sagte er. »Dann gab er mir eins hinter die Ohren.«
»Lord Edward Gilbert ist eingetroffen«, unterbrach die verhaltene Stimme des Butlers die lockere Atmosphäre. Gleich darauf betrat Lord Gilbert den Salon und blickte lächelnd in die Runde.
»Großer Gott. Das ist ja Edward!« rief Tante Anne, sprang auf und starrte ihren geliebten Mann entsetzt an. In der Angst, ihre Briefe könnten ihn doch noch erreicht haben und er gekommen sein, um Whitney vor einer unerwünschten Eheschließung zu bewahren, suchte sie krampfhaft nach einer Möglichkeit, ihn
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