Sturm der Leidenschaft
verbringen.«
»Clayton wird dich zu unserem Treffpunkt bringen«, wiederholte Paul und musterte sie prüfend. »Ich nehme an, ihr kennt euch inzwischen gut genug, um einander mit Vornamen anzusprechen«, fügte er trocken hinzu.
Whitney biß die Zähne zusammen und warf einen kühlen Blick zu der hochgewachsenen Gestalt an der Tür hinüber.
»Ich bin davon überzeugt, daß dein Vater nichts dagegen einzuwenden hat, wenn Clayton eins eurer Pferde nimmt«, erklärte Paul und wandte sich zum Gehen.
Auf der vierten Stufe der Freitreppe hielt er noch einmal inne. »Achten Sie gut auf mein Mädchen«, rief er Clayton zu. Whitney fühlte sich sowohl leicht versöhnt wie auch verwirrt über die Tatsache, daß er sie erst der Obhut eines anderen Mannes überließ, sie aber dann »mein Mädchen« nannte.
»Guten Morgen«, unterbrach die tiefe Stimme, die sie so gründlich verabscheute, ihre Überlegungen. Gereizt wandte Whitney ihre Aufmerksamkeit Clayton zu, der noch immer neben der Tür stand. Sie unterdrückte mindestens drei schnippische Bemerkungen auf seinen Gruß und ließ ihren Blick verächtlich über sein schneeweißes Hemd, die grauen Breeches und die glänzenden schwarzen Stiefel schweifen. »Können Sie reiten?« erkundigte sie sich eisig.
»Guten Morgen«, wiederholte er betont.
Whitney kniff die Lippen zusammen, trat in den Sonnenschein hinaus und überließ es ihm, ihr zu folgen oder nicht.
Während sie den Pfad zu den Ställen entlang lief, hielt er sich einen Schritt hinter ihr, aber auf der Hälfte der Strecke holte er sie ein und vertrat ihr den Weg. »Behandeln Sie eigentlich jeden Gentleman so feindselig, der Ihnen einen Kuß stiehlt, oder nur mich?«
Whitney bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Zunächst einmal sind Sie kein Gentleman, Mister Westland, und zweitens schätze ich Sie nicht besonders. Und nun gehen Sie mir bitte aus dem Weg.«
Er blieb wo er war und betrachtete sie schweigend. »Würden Sie mich bitte freundlicherweise vorbeilassen?« wiederholte sie.
»Wenn Sie lange genug den Mund hielten, würde ich mich gern für mein Verhalten gestern abend entschuldigen«, erklärte er gelassen. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal für etwas entschuldigt habe, daher bin ich ein wenig aus der Übung.«
Was für ein arroganter Kerl er doch war, wenn er meinte, sich ihr gegenüber Freiheiten herausnehmen zu können, um sich dann lauwarm dafür zu entschuldigen! »Von Ihnen nehme ich keine Entschuldigung entgegen - ob Sie nun aus der Übung sind oder nicht. Und jetzt gehen Sie mir endlich aus dem Weg!«
Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich, und Whitney konnte fast spüren, wie sehr er sich beherrschte. Sie blickte zu den Ställen hinüber, ob dort jemand war, den sie notfalls zur Hilfe rufen konnte. Sie sah Thomas, der einen höchst gereizten Dangerous Crossing am Zügel hielt.
Unversehens nahm ihr Rachedurst die Gestalt eines schwarzen Hengstes an.
Hinterhältig lächelte sie den erbosten Mann vor ihr an. »Mein Verhalten war auch nicht ganz einwandfrei«, verkündete sie und bemühte sich verzweifelt um eine zerknirschte Miene, obwohl ihr nach schallendem Gelächter zumute war. »Wenn Sie sich also entschuldigen möchten, bin ich nur zu bereit, das zu akzeptieren.« Er sah sie so mißtrauisch an, daß sie sofort hinzufügte: »Oder haben Sie Ihre Meinung geändert?«
»Ich habe meine Meinung nicht geändert«, erwiderte er ruhig. »Es tut mir aufrichtig leid, wenn ich Sie gestern abend verängstigt habe«, meinte er und hob mit einem Finger ihr Kinn leicht an. »Es lag nicht in meiner Absicht, Sie zu verletzen, und ich würde mich freuen, wenn wir Freunde werden könnten.«
Whitney widerstand dem Drang, seine Hand fortzuschlagen, und gab sich den Anschein, sein Friedensangebot zu überlegen. »Wenn wir Freunde werden wollen, sollten wir gemeinsame Interessen haben. Ich reite beispielsweise ausnehmend gem. Glauben Sie, mit mir mithalten zu können?«
»Ich hoffe es«, erwiderte er gelassen und trat endlich einen Schritt zur Seite.
Flink setzte Whitney ihren Weg fort. »Ich werde ein Pferd für Sie aussuchen«, rief sie über ihre Schulter hinweg. Entweder mußte Clayton Westland diesen Hengst reiten oder zugeben, Angst vor dem ungebärdigen Tier zu haben. In beiden Fällen würde seine maßlose Selbstüberschätzung einen herben Dämpfer erhalten - und den hatte er mehr als verdient.
Fast atemlos vom schnellen Laufen kam sie bei Thomas an. Sie
Weitere Kostenlose Bücher