Sturm der Leidenschaft
den Hengst tatsächlich zu besänftigen, die lockere Zügelhaltung hielt ihn fest, aber nicht brutal unter Kontrolle.
Mit vor Verblüffung weitaufgerissenen Augen sah Whitney, daß sich der Hengst zu einer kurzen Runde auf dem Gelände zwischen den Ställen bewegen ließ. Seine Ohren waren nach vom gestellt, und er sah ganz so aus, als würde es ihm gefallen, den hochgewachsenen Mann auf seinem Rücken zu tragen - bis Clayton mit der Peitsche leicht seine Flanke berührte und nach einem Galopp verlangte. Sofort riß Dangerous Crossing wieder den Kopf hoch und keilte aus.
»Es ist die Peitsche, Sir«, rief Thomas. »Lassen Sie sie einfach fallen. Die Peitsche ist alles, was ihn im Moment beunruhigt.«
Einen Augenblick lang hatte Whitney ihren Groll gegen den Mann völlig vergessen. Sie war eine viel zu gute Reiterin, um von dem Geschick unbeeindruckt zu bleiben, das Clayton Westland gerade bewiesen hatte. Claytons reiterliche Fähigkeiten erfüllten sie mit Bewunderung, und die verhehlte sie auch nicht, als er nun mit dem Hengst auf sie zu geritten kam.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, um ihm die Anerkennung zu zollen, die er verdient hatte. Aber er warf ihr die Peitsche entgegen und knurrte: »Tut mir leid. Sie enttäuscht zu haben. Suchen Sie sich beim nächsten Mal einen anderen für Ihre kindischen Spielchen.«
»Sie Unhold!« zischte Whitney und hob den Arm mit der Peitsche. Sie durchschnitt die Luft, verfehlte Claytons Schulter und traf voll die Flanke des Hengstes. Wild wiehernd bäumte sich Dangerous Crossing auf, raste auf den Koppelzaun zu, als wollte er ihn durchbrechen, besann sich im letzten Moment anders und schoß in der anderen Richtung davon.
»Großer Gott!« flüsterte Whitney, sah entsetzt, wie das Pferd mit seinem Reiter durchging, und wandte tiefbeschämt den Kopf ab. Ihre Schuldgefühle über ihr kindisches Verhalten wurden von Thomas noch vertieft, der mit hochrotem Gesicht auf sie zugestürmt kam. »Haben Sie das in Frankreich gelernt? Einen Fremden absichtlich in Gefahr zu bringen?« schrie er sie zornig an. »Niemand wird je wieder diesen Hengst besteigen, Sie kleine Närrin!« Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte in den Stall, um sich ein Pferd zu holen, mit dem er Clayton folgen konnte.
Nur mit Mühe zwang sich Whitney dazu, Thomas nicht zu folgen, und ihm zu erklären, daß sie den Reiter treffen wollte und nicht das Pferd. Niemals das Pferd! Sie blickte in die Richtung, in die Dangerous Crossing durchgegangen war, doch der war nur noch ein schwarzer Punkt in der Landschaft, und niemand konnte sagen, ob es seinen Reiter noch trug oder nicht.
Whitney brachte Khan zum Stall zurück, holte ihn aber wenig später wieder heraus. Clayton Westland hatte bewiesen, was für ein guter Reiter er war. Vielleicht gelang es ihm, nicht abgeworfen zu werden. Sie hoffte es inständig, verspürte aber kein Verlangen danach, ihm bei seiner unversehrten Rückkehr unter die Augen zu treten. Schon die Vorstellung seines Zorns ließ sie am ganzen Körper erbeben. Unhörbar nannte sie sich einen Feigling, wandte Khan um und ritt mit ihm zum Anwesen der Familie Sevarin, um sich dort nach dem Ziel des Ausflugs zu erkundigen.
Khan warf den Kopf und zerrte unternehmungslustig an den Zügeln, aber Whitney hatte keine Eile und hielt ihn in einem gemächlichen Paßgang. Niemals zuvor war sie sich so abscheulich vorgekommen. Warum, fragte sie sich verzweifelt, habe ich mein Leben ausgerechnet in dem Moment ruiniert, als ich nach England zurückkam? Wie konnte ich nur in die Unsitten meiner Kindheit zurückfallen? Wie soll ich den angerichteten Schaden nur wiedergutmachen? Was wäre, wenn sich das Pferd verletzte und getötet werden mußte? Doch auch wenn es mit dem Schrecken davonkam, würde ihr Vater ihr Verhalten nie verzeihen können.
Ihr Vater! Zum erstenmal in ihrem Leben hatte sie so etwas wie Anerkennung und Stolz in seinen Augen gesehen, aber damit war es nun wieder vorbei. Er würde sie wegen der Mißhandlung des Pferdes zutiefst verachten, und wenn sie zu erklären versuchte, eigentlich den Reiter gemeint zu haben, noch sehr viel zorniger werden .. .
Wildes Hufgetrappel hinter ihr unterbrach ihre unerfreulichen Überlegungen, und als Whitney über die Schulter blickte, sah sie Clayton auf dem Rücken eines schweißüberströmten Dangerous Crossing auf sich zu galoppieren.
Instinktiv hob Whitney die Peitsche, um Khan zu schneller Flucht anzutreiben, ließ ihren Arm dann aber wieder
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