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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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tanzten Glühwürmchen über dem Wellenkamm. Nein, das waren keine Glühwürmchen …
    Es waren Augen.
    Tausende gelber Augen, die ihn anstarrten, während sie auf ihn zurasten. Jetzt konnte er auch Körperumrisse und Gliedmaßen erkennen, schwarz und glänzend, und sie bewegten sich schnell.
    »O mein Gott«, flüsterte er und ließ das Gewehr sinken, um die anstürmende Armee mit seinen eigenen Augen zu sehen. Das Gewimmel sah aus wie ein gigantischer Ameisenhaufen, so groß wie die Fläche von mehreren Footballstadien.
    Und sie waren nur noch eineinhalb Häuserblocks weit entfernt.
    Garrett öffnete seinen Mund, um Alarm zu schlagen, doch ein Arm packte ihn von hinten und riss seinen Kopf herum. Er spürte etwas Spitzes an seinem Hals, direkt neben der Luftröhre.
    »Mein Name ist Oscar Dominguez«, sagte eine kratzige Stimme neben seinem Ohr. Mit einem Knurren drückte der Mann zu und presste den Glassplitter in Garretts Halsschlagader. »Du hättest mich töten sollen, als du die Gelegenheit dazu hattest.«
    Garrett ließ das Gewehr fallen und schüttelte den kleineren Mann von seinem Rücken. Er griff nach dem Stück Glas in seinem Hals, doch in seiner Panik stolperte er über seine eigenen Beine und fiel flach auf den Rücken. Mit flackernden Augen starrte er in das Gesicht seines Angreifers, die Hand immer noch auf seinem Hals, unfähig sich zu entscheiden, ob er die Scherbe herausziehen oder lieber versuchen sollte, die Wundränder gegen das Glas zu pressen und somit die Wunde wenigstens halbwegs zu verschließen.
    Der Mann mit der Schlangentätowierung auf seinem Hals, den Garrett fälschlicherweise für tot gehalten hatte, ließ sich auf die Knie fallen – genau auf Garretts Brustbein.
    »Im Knast lernt man, wie man sich tot stellt«, sagte Oscar, während er seine Knie nach außen gleiten ließ und so Garretts Arme auf den Boden presste. »Die Großen … die kämpfen gern. Aber nicht ich. Ich mag es, wenn es leise und schnell geht.«
    Er packte den Glassplitter mit beiden Händen, die scharfen Kanten schnitten in sein Fleisch, dann drehte er ihn um neunzig Grad und zog ihn quer über Garretts Hals. Eine Fontäne von hellrotem Blut spritzte ihm ins Gesicht, und er hörte, wie pfeifend die Luft aus der durchtrennten Trachea entwich, dann ein Gurgeln. Und Stille.
    Oscar spuckte noch einmal in Garretts Gesicht, dann rappelte er sich mit letzter Kraft auf die Beine und humpelte auf die Treppe zu. Ihm war schwindlig von seiner schweren Gehirnerschütterung und dem Blutverlust. Schwer keuchend versuchte er, durch den weit aufgerissenen Mund etwas Luft in seine Lunge zu saugen, denn mit dem, was von seiner Nase übrig war, war so etwas wie Atmen schlichtweg ausgeschlossen, und erschwerend hinzu kam der Schmerz, den ihm ein Dutzend gebrochene Rippen bescherten. Doch er war zufrieden, glücklich darüber, dass der Gerechtigkeit nun Genüge getan war.
    Er konnte es kaum erwarten, den anderen zu berichten, vor was für einem Monster er sie soeben gerettet hatte.

XLVI
     
    AUF DEM GROSSEN SALZSEE
     
    »Wie lange brauchen die denn noch?«
    »Das spielt keine Rolle«, erwiderte Richard. »Sie werden uns den Jungen schon bringen.«
    »Was macht Sie da so sicher? Ich meine, immerhin haben sie sich die Mühe gemacht, uns auszuspionieren und den Jungen dann zu entführen, also schätze ich, sie werden ihn kaum kampflos wieder hergeben, außer …«
    »Außer was?«
    »Nichts«, sagte der Mann und presste sein Auge wieder gegen das Zielfernrohr seines Gewehrs. Er hatte gesehen, was mit Bruce passiert war, als er die Geschehnisse im Hotel in Frage stellte, und er war alles andere als scharf auf den Platz neben Bruces Leiche, die im Feuer immer noch vor sich hin schwelte. Im Moment wollte er nichts anderes, als diese Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen und zurück ins Hotel fahren, wo sie mittlerweile bestimmt wieder Strom, vielleicht sogar heißes Wasser hatten. Mit oder ohne den Jungen. Er fragte sich unwillkürlich, ob Richard ihnen wohl die Wahrheit erzählt hatte, aber im Moment war ihm das egal. Er wollte einfach nur nachhause.
    »Sicher?«, fragte Richard. Er spürte das Unbehagen des Mannes, aber auch das spielte keine Rolle. Noch nicht. Dieser Trottel sollte einfach die Umgebung im Auge behalten, mehr nicht. Danach war er verzichtbar. Vielleicht würde ihn schon auf dem Rückweg nach Salt Lake City ein tragischer Unfall ereilen. Feuerwaffen gingen nun einmal ab und zu unbeabsichtigt los.
    Richard

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