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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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ging wieder zurück zum Feuer. Nur einer seiner Männer war dort zurückgeblieben, die anderen betankten inzwischen die Motorschlitten, damit sie möglichst schnell wieder von hier verschwinden konnten. Das Kinn auf die Brust gedrückt und die Kapuze zum Schutz gegen die Kälte tief ins Gesicht gezogen saß der Mann da, aber Richard hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er heimlich in die Flammen schielte, wo das, was einmal lebende Menschen gewesen waren, langsam zu Asche zerfiel. Richard wusste, dass Bruce diese Männer verunsichert hatte, er hatte sie zum Zweifeln gebracht, aber selbst das war egal. Mittlerweile hatten sie regelrecht Angst vor ihm, und Angst war der beste Garant für Loyalität.
    »Was für ein beschissenes Wetter«, sagte Richard. Der andere sah ihn kurz verängstigt an, und Richard kicherte, was ihn nur noch mehr erschreckte. Angenommen, sie wussten es jetzt. Na wenn schon? Er war ihr König, ihr Gott, und keiner von ihnen würde es wagen, ihn in Frage zu stellen.
    Richard setzte sich auf einen Stein und wärmte sich durch seine Handschuhe hindurch die Finger am Feuer, bis ihm der Geruch des versengten Polyestermaterials in die Nase stieg. Mit einem knackenden Geräusch rollte ein verkohlter Schädel aus den Flammen vor seine Füße. Eine der Halswirbelbandscheiben war in der Hitze des Feuers geplatzt und hatte den Schädel abgesprengt wie eine Mondlandekapsel. Der Schädel rollte noch ein Stück weiter, bis er Richards Zehen berührte, dann blieb er endgültig auf dem Hinterkopf liegen. Schwarze Augenhöhlen, in denen noch Reste von Blut und Gallertmasse schwelten, starrten ihn vorwurfsvoll an.
    Richard zog seine rauchenden Handschuhe aus und legte sie in seinen Schoß, ließ dabei aber den Totenschädel zu seinen Füßen nicht aus den Augen. Ohne es zu merken, befühlte er mit den Fingern die Kratzwunden in seinem Gesicht und fummelte so lange an ihnen herum, bis frisches Blut hervorquoll.
    »Hör auf mich anzustarren«, murmelte er und schob den Schädel mit seinem Stiefel beiseite, wobei die verkohlten Zähne unter dem Druck seines Schuhs abbrachen. »Hör auf, mich so anzustarren!«
    Richard sprang auf und trat mit seinem ganzen Gewicht auf den Schädel, der sofort zerplatzte. Das letzte bisschen flüssiger Gehirnmasse trat aus, und Richard trampelte weiter und weiter, bis er schließlich das, was noch übrig war, mit einem letzten Tritt zurück ins Feuer beförderte.
    Keuchend ließ er sich wieder auf den Stein plumpsen, auf dem er eben noch gesessen hatte, konnte seine Augen aber nicht von den vor ihm lodernden Flammen abwenden. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass er nicht alleine war. Er blickte hinüber zu dem anderen Mann, der ihn durch die Flammen hindurch mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Richard lächelte, woraufhin der Mann seinen Kopf so schnell zur Seite drehte, dass er von dem Stein rutschte, auf dem er gesessen hatte. Richard explodierte vor Lachen, woraufhin der Mann aufsprang und, ein paar unzusammenhängende Wortfetzen murmelnd, dass er mal nach den anderen sehen wolle, davonrannte.
    Jetzt spürte Richard das frische Blut auf seinen Wangen und versuchte es abzuwischen, verschmierte es dabei aber nur noch mehr, sodass jetzt sein ganzes Gesicht unterhalb der Augen blutrot war. Durch die Feuchtigkeit auf seinen Fingern spürte er jetzt auch wieder die stechende Kälte in seinen Händen, weshalb er schnell seine Handschuhe anzog und sie wieder übers Feuer hielt. Kleine Flammen züngelten aus den versengten Kunstfasern, aber die Wärme in seinen Händen fühlte sich fabelhaft an. Richard blieb so lange unbeweglich sitzen, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und seine Hände aus den Flammen ziehen musste. Die Handschuhe brannten lichterloh, und er fuchtelte wild damit durch die Luft, was die Flammen aber nur noch mehr anfachte. Schließlich blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als seine brennenden Hände in den nächstbesten Schneehaufen zu stoßen. Als er sie wieder herauszog, ragten seine Fingerkuppen aus den verbrannten Handschuhen. Sie waren schwarz. Ein Bild stieg in ihm auf, wie sein Großvater im Endstadium seines Diabetes sich die Nägel von seinen toten Zehen abgezogen hatte. Unwillkürlich fragte er sich, wie sich das wohl angefühlt haben mochte.
    »Hey!«, hörte er eine Stimme von oben. »Sie kommen!«
    Richard rannte los, hinauf zu dem kleinen Felsenkamm, wo einer seiner Männer flach auf dem Bauch lag und angestrengt durch das Zielfernrohr seines

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