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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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an seinem Handgelenk – »zwei Stunden und siebenundzwanzig Minuten.«
    Garrett schaute noch eine Weile lang zu und schwelgte mit ihnen in ihrem Glück. Eine ganze Zeit lang hatte er geglaubt, dass dieses Gefühl für sie alle unwiederbringlich verloren sei.
    Er drehte sich weg und ging hinüber in die Lobby, wo er auf einem Stuhl warme Kleidung bereitgelegt hatte. Schicht um Schicht legte er sie an und ging dann durch das Treppenhaus nach oben. Es war seltsam, die Stufen im Lichtschein der elektrischen Beleuchtung zu sehen, aber daran würde er sich schnell gewöhnen. Sie hatten jetzt wieder Strom, und es gab warmes Essen. Schon bald könnten sie auch wieder warm duschen und sich auf ihren Zimmern vielleicht sogar DVDs anschauen. Sie waren so nahe dran, zur Zivilisation zurückzukehren, ihr altes Leben wiederherzustellen, dass wahre Glücksgefühle in ihm aufstiegen. Alles, was sie jetzt noch tun mussten, war, den bevorstehenden Angriff zu überleben, falls er überhaupt kam. Schließlich hatte er bisher nur in den Träumen eines kleinen Kindes stattgefunden. Und sie waren mehr als bereit einer Belagerung zu widerstehen, ganz ähnlich wie damals die Branch Davidians in Texas. Er war absolut sicher, dass ihre Festung absolut uneinnehmbar war. Niemand kam über diesen Zaun, ohne von dem Stacheldraht in Stücke gerissen zu werden, und selbst wenn: Hinter dem Zaun warteten die Flammen. Und dann waren da noch die Scharfschützen auf dem Dach, die jedem Eindringling kräftig einheizen würden, sobald er versuchte, über den tödlichen Zaun zu klettern. Alle Fenster und Türen waren mit Brettern vernagelt, als einziger Zugang blieb nur noch die Tür auf dem Dach.
    Sobald einer der Männer auf den Türmen Alarm schlug, wären sie bereit, und das Schlachten könnte beginnen. Nicht sie würden geschlachtet, sondern jeder, der waghalsig oder dumm genug war, sich ihrer Festung zu nähern. Der Kampf wäre schnell beendet und der Weg frei, die Geschichte der Menschheit neu zu schreiben.
    Noch im Gehen machte er seinen Anorak zu, zog sich die Kapuze über den Kopf und ging hinaus aufs Dach. Seine Männer waren immer noch auf ihren Posten, wie er gehofft hatte, auch wenn der Duft der Lasagne, der von unten heraufstieg, sie ein wenig unruhig werden ließ. Garrett war gerade mal eine Stunde drinnen gewesen, und trotzdem schien der Schneesturm sich in der Zwischenzeit noch weiter verschlimmert zu haben. Die Flocken waren jetzt derart groß und wirbelten so chaotisch durcheinander, dass die Wachposten wie in einem Stroboskoplicht zu flackern schienen: In der einen Sekunde waren sie da, in der nächsten wieder verschwunden, nur um einen Moment später an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen.
    »Ihr werdet abgelöst, sobald die anderen fertig gegessen haben«, rief er, aber seine Stimme ging in dem heulenden Wind unter. »Hey!«
    Der Mann gleich vor Garrett drehte sich um, nickte kurz, hängte sich sein Gewehr über die Schulter und kam auf ihn zu.
    »Haben Sie etwas gesagt?«, fragte er. Selbst aus einem Meter Entfernung musste der Mann schreien, damit Garrett ihn verstehen konnte.
    »Ich sagte, wenn die anderen gegessen haben, seid ihr dran.«
    »Spitzenmäßig!« Der Kerl, den Garrett durch das Schneetreiben hindurch zunächst für einen erwachsenen Mann gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Junge von maximal sechzehn Jahren. »Ich bin schon am Verhungern, und dieser Geruch bringt mich gleich um, wenn ich nicht bald was zwischen die Zähne kriege.«
    Garrett lächelte und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Kann sich nur noch um Minuten handeln«, antwortete er. »Und dann isst du einfach, bis du platzt, okay?«
    Mit einem breiten Grinsen im Gesicht rannte der Junge sofort los, um den anderen die freudige Botschaft zu überbringen.
    Garrett drehte sich weg und ging wieder zurück ins Treppenhaus. Er wollte hinauf auf den Turm, den die Männer schon fast liebevoll »das Krähennest« nannten. Er persönlich würde dort oben die Wache übernehmen, während seine Männer in Ruhe fertig aßen. Mit leuchtendem Beispiel vorangehen, das war sein Motto. Er konnte es sich nicht einfach und gemütlich machen und sich den Bauch vollschlagen, während seine Jungs oben auf dem Dach fast umkamen vor Hunger. Und je früher er seine Wache übernahm, desto größer war die Chance, dass er heute Nacht vielleicht ein paar Stunden Schlaf bekam. Außerdem, sollten diese Kreaturen tatsächlich heute Nacht angreifen, wie der kleine Junge es vorausgesagt

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