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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Jetzt begriff er, was Richard so sehr daran liebte. Die jubelnden Zurufe, der tosende Applaus: alles für ihn. Er fühlte sich, als hätte er seine Finger in eine Steckdose gesteckt. Sein ganzer Körper stand unter Hochspannung, die sich von seiner Mitte ausbreitete bis in seine Finger und Zehen, in denen er ein Kribbeln spürte wie von Hunderten von Ameisen.
    Die Worte waren ihm zugeflogen wie noch nie zuvor. Er hatte sie zu ihrer guten Arbeit und ihrem unermüdlichen Fleiß beglückwünscht, zu ihrer Hingabe an jeden Einzelnen der Gruppe genauso wie an das Überleben ihrer gesamten Spezies und zu ihrem Mut in diesen Zeiten der Verzweiflung. Weit wichtiger aber war, dass er es geschafft hatte, sie mit seiner Ansprache für die kommende Schlacht anzuheizen. Er hatte das Blut der Männer regelrecht zum Kochen gebracht, und selbst die Frauen und Kinder waren nun so weit, dass sie bereit waren, zu den Waffen zu greifen, um ihren gemeinsamen Traum zu verteidigen, nicht als ein kunterbunt zusammengewürfelter Haufen von Flüchtlingen, sondern als eine Familie. Ab Anbruch der kommenden Nacht würden alle, vom fettleibigsten Mann bis zur zerbrechlichsten Frau, sich rund um die Uhr bereithalten, um sich tapfer einem Angriff entgegenzustellen, der sehr wohl ihren Tod bedeuten konnte. Und das alles hatte er ganz alleine erreicht. Die größte aller Aufgaben hatte er erfolgreich gemeistert. Er hatte sein eigenes Vermächtnis geschaffen, und jetzt musste er für seine Rede nur noch wie einst Martin Luther King, John F. Kennedy oder sein persönliches Vorbild, Vince Lombardi, einen Schlusssatz finden, der alle Zeit überdauern würde.
    Aus der Küche stieg ihm der Geruch der Lasagne in die Nase, und er wusste, dass sie ihm nicht mehr lange zuhören würden. Es war so weit.
    »Heute, liebe Überlebende … heute machen wir unseren ersten Schritt in eine neue, bessere Zukunft. Vereinigt als ein Volk. Vereinigt durch Gott und durch unseren Glauben, vereinigt durch ein Band, das niemals zerreißen wird. Wir werden uns dem Bösen entgegenstellen, das wild entschlossen ist, uns zu vernichten, einer Armee von Ausgeburten der Hölle, wie unsere Mutter Erde sie noch nie gesehen hat. Und ob sie sich nun heute auf uns stürzen oder erst in einer Woche, wir werden ihnen vereint entgegentreten, und wir werden siegen. Wir haben Mut, wir haben die Kraft eines Volkes, das keine Niederlage kennt. Und, was am wichtigsten von allem ist, die Gerechtigkeit steht auf unserer Seite. Mit Gottes Unterstützung werden wir überleben … und unser Volk wird gedeihen. Denn heute ist der Tag, an dem unsere Schicksale sich zu einem vereinigen. Heute gehen wir den ersten Schritt in eine bessere Zukunft, wir ebnen den Weg für eine Welt, in der die kommenden Generationen keinen Krieg mehr kennen. Nur diese eine Schlacht werden wir noch schlagen, den Krieg, der alle Kriege beendet, und dann werden wir in Frieden von neuem beginnen. Heute ist der Tag, Ladys und Gentlemen. Wir sind die Zukunft, und wir werden siegen!«
    Der Applaus wurde so laut, dass Garrett seine eigenen Worte nicht mehr hören konnte. Menschen erhoben sich von ihren Stühlen, erst einer nach dem anderen, dann ganze Trauben zugleich, bis sie alle vor ihm standen und ihm zujubelten. Er hörte Trillerpfeifen und Gashupen und sogar einen Schlachtruf, der durch sein Publikum ging: »Wir werden siegen!«
    Garrett schaute von Gesicht zu Gesicht, und alle schauten sie zurück mit einem Ausdruck in den Augen, den er bisher kaum gekannt hatte: Respekt, Bewunderung, Ehrfurcht. Alles für ihn und nur für ihn. Es spielte keine Rolle mehr, ob Richard je wieder zurückkam. Dies waren jetzt seine Leute. Er hatte sie durch diese schwierige Zeit des Wiederaufbaus geführt. Er hatte sie vereinigt. Er hatte ihnen im Angesicht dieser fürchterlichen Bedrohung ein neues Leben und neue Hoffnung geschenkt, und er würde sie zum Sieg führen.
    Garrett saugte ihre Sympathien in sich auf wie ein Schwamm, bis er spürte, dass es an der Zeit war, das Fest beginnen zu lassen. Die Tür zur Küche schwang auf, und eine Frau mit Schürze trug das erste dampfende Tablett heraus, während Garrett von seinem Tisch herunterkletterte, damit alle ihre Aufmerksamkeit und ihren Jubel auf sie richten konnten.
    »Esst alles auf!«, rief er in das Gejohle. »Ich möchte, dass alle in neunzig Minuten so weit sind, auf ihre Posten zu gehen! Sonnenuntergang in exakt« – er warf einen Blick auf die Uhr

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