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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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ragten aus Schädel und Schultern wie bei dem Harnisch eines Gladiators aus dem alten Rom. Er war vollkommen umhüllt von den Flammen, doch schienen sie ihn nicht zu verletzen, sondern ihm nur noch zusätzliche Kraft zu verleihen. Er war von Kopf bis Fuß blutrot, als hätte er in einem See aus Blut gebadet.
    Adams Gedanken rasten zurück bis zu den Höhlen von Ali Sadr. Unterirdische Seen aus Blut. Und dieses Bild rief noch eine weitere Erinnerung in ihm wach – wie er auf der Ladefläche eines Militärlasters gelegen hatte und durch die aufgewirbelten Staubwolken hindurch noch ein letztes Mal zurück zu dem Berg geschaut hatte, dessen Höhlensystem er gerade noch einmal entronnen war. Vier Gestalten hatten dort auf einem Felsenkamm gestanden, eine für jeden Freund, den er in den Tiefen der unterirdischen Grabkammern des Berges verloren hatte.
    »Keller?«, sagte Adam flüsternd.
    Plötzlich peitschte der Wind heulend auf und bombardierte ihn mit Schneeflocken, als hätte allein der Klang seiner Stimme die Stille um ihn herum zerschlagen. Der Reiter riss an der dornigen Mähne seines Pferdes, das sich auf die Hinterbeine aufrichtete und seine flammenden Vorderhufe durch die Luft wirbeln ließ, bevor es mit donnernden Schritten auf den Strand zugaloppiert kam.
    Adam wirbelte herum und rannte zur Höhle, wo Mare und Phoenix wartend vor dem Eingang standen.
    »Lauft!«, schrie Adam und fuchtelte panisch mit den Armen.
    Mare erwachte aus seiner Starre und wollte gerade losrennen, aber Phoenix legte ihm nur sanft eine Hand auf die Schulter und flüsterte etwas in sein Ohr. Adam konnte nicht hören, was Phoenix sagte, aber er sah, wie Mare nickte.
    »Was tut ihr da?«, brüllte Adam die beiden Jungen an, entschlossen, sie notfalls auf seine Schultern zu laden und einfach mitzuschleifen. »Er ist direkt …!«
    Doch Phoenix ergriff seine Hand und hielt ihn fest.
    »Wir können nicht mehr länger weglaufen«, sagte er mit fester Stimme. »Die Zeit der Entscheidung ist gekommen. Wir werden entweder leben oder sterben, und die Entscheidung fällt hier und jetzt.«
    Der Boden unter ihren Füßen zitterte unter dem Ansturm des Reiters. Die Wolken zerrissen, und Blitze zuckten aus dem aufgewühlten Himmel. Speere barsten, schwarzer Rauch, der so dicht war, dass selbst der Sturm ihn nicht vertreiben konnte, stieg auf und senkte sich wie Nebel über den Strand, den Gestank des verbrannten Fleisches der Toten und Sterbenden verbreitend.
    Adam blickte Phoenix in die rosafarbenen Augen, und zum ersten Mal, seitdem sie ihn aus seinem Kellerverlies befreit hatten, sah er Angst in ihnen. Adam spürte, wie der Junge seine Hand drückte, und er wusste, dass Phoenix ihn mit dieser Geste eigentlich beruhigen wollte, aber für Adam fühlte sich Phoenix’ Händedruck an wie ein Abschied. Dann ließ Phoenix seine Hand los, und Adam wandte seinen Blick von dem blutverschmierten Gesicht des Jungen ab und schaute hinaus auf den Strand.
    Das Pferd hatte jetzt den schaurigen Wald aus Speeren, Blut und Kadavern erreicht und verlangsamte seinen Galopp. Unter dem zuckenden Licht des Gewitters betrachtete Krieg seine gefallenen Soldaten, während um ihn herum die Blitze einschlugen und die Überreste der getöteten Kreaturen in Brand steckten. Hinter ihm zog sich der Schwarm immer enger zusammen, Schulter an Schulter standen sie da mit leuchtenden Augen und warteten, blähten ihre zitternden Kehlsäcke auf und wetzten in aufgeregter Erwartung ihre Klauen. Eine Flucht war unmöglich …
    Adam konnte kaum noch atmen. Der Sauerstoffmangel in seinem Gehirn machte seine Gedanken so träge, dass er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte als auf diesen roten Krieger, der auf seinem Reittier thronend im Seitschritt auf sie zukam. Dann streckte er seinen Arm hoch in die Luft. In seiner Hand hielt er eine Art Kugel, die er in Adams Richtung warf. Sie rollte über den Schnee, bis sie direkt vor seinen Füßen zu liegen kam. Adam wagte nicht, den Reiter auch nur eine Sekunde aus den Augen lassen, aber schließlich riskierte er einen kurzen Blick auf das, was da vor ihm im Schnee lag.
    Unter versengten Augenbrauen starrten ihn zwei ausgebrannte Höhlen an, der Unterkiefer war erst vor kurzem herausgerissen worden und hing, nur noch an einer dünnen Sehne baumelnd, seitlich weg. Nur die Zähne hatten noch einen Rest Farbe und leuchteten weiß aus dem grauschwarzen Gebilde hervor. Lippen und Ohren waren zu kleinen schwarzen Knoten verbrannt, und von den

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