Sturm der Seelen: Roman
dessen Flammen höher loderten, als sie selbst groß waren. Einer von ihnen stand etwas erhöht, und die Aufmerksamkeit der Umstehenden galt ausschließlich ihm.
Krieg lächelte unter seiner Maske ein lippenloses Lächeln. Wenn man den Kopf abschneidet, stirbt der Körper . Er grub seine Fingerspitzen in den Brustkorb des toten Vogels und riss den Kadaver in der Mitte auseinander. Blut spritzte in alle Richtungen, dann warf er den zerfetzten Leib gleichgültig über seine Schulter. Sofort stürzte der Schwarm sich unter wütendem Fauchen auf die Überreste, und die Luft war erfüllt von auffliegenden Federn und Spritzern des schleimigen Blutes des Schwarms. Begleitet von mahlenden Kaugeräuschen schwang Krieg sich wieder auf sein Pferd und trieb es im Schritt um das Gebäude herum. Dicht hinter ihm folgte dasselbe Echsenwesen, das ihn schon seit dem ersten Tag ihres Marsches begleitete. Die tiefe Narbe auf seiner Stirn, die quer über eine Braue verlief und von da hinunter über die Wange bis zu dem Hautsack unter seinem Kinn, der die Farbe frischen Blutes hatte, unterschied es deutlich von den anderen. Es wich seinem Herrn nicht von der Seite, und wie er hielt es seine Augen stets auf den Horizont gerichtet, während die anderen nur wie die Tiere, die sie letztendlich waren, um ihren Platz im Rudel kämpften.
Krieg streckte eine Hand, besudelt mit dem Blut des Falken und einem Klumpen Federn, nach unten aus, damit die Kreatur herankommen und das halb geronnene Blut mit seiner violetten Zunge ablecken konnte. Zufrieden zog sich sein Diener schließlich wieder zurück und stieß ein heftiges Zischen aus, wobei sein Kinnsack sich aufblähte wie ein Schiffssegel in einer steifen Brise.
Krieg richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gebirgskette am Horizont, dem einzigen Hindernis auf seinem Weg. Er reckte seinen rechten Arm in die Luft, die Hand zur Faust geballt, und stieß einen donnernden Kriegsschrei aus, der klang, als jage eine Steinlawine die Berghänge hinab. Ein tobendes Zischen ertönte als Antwort auf seinen Schrei, so laut, dass es den Schnee von dem umliegenden Schottergestein fegte. Kriegs Pferd preschte vorwärts, und der Boden unter seinen stampfenden Hufen fing Feuer. Der Schwarm folgte in den Flammen hinter ihm, und ihr Fauchen riss die Nacht entzwei.
BUCH DREI
XVII
MORMON TEARS
Sie waren nur noch zu elft, als sie am Strand standen und zusahen, wie die Karawane sich durch den schmalen Durchgang zwischen den Felswänden schlängelte, ostwärts, hinaus in die weiße Wüste. Trotz der dichten Wolkendecke war leicht zu erkennen, dass es noch dauern würde, bis die Sonne aufging. Jede Faser in Adams Körper schrie danach, mit ihnen zu gehen, aber ob es nun eine bewusste Entscheidung war oder nicht, er glaubte an Phoenix, auch wenn er wusste, was für ein Albtraum ihnen bevorstand. Richard hatte recht gehabt. Immerhin waren er und sein Gefolge so großzügig gewesen, ihnen einen kleinen Vorrat an Dosen mit Essen, mehrere Gallonen Wasser und ein paar Dosen Cola dazulassen, aber das war dann auch schon alles. Der rationale Anteil seines Gehirns wusste, dass sie in großen Schwierigkeiten steckten, aber rationales Abwägen zählte für Adam nicht mehr, nicht seit dem, was in jenem Höhlensystem im Iran geschehen war. Alles, was ihm noch blieb, war ein hauchdünner Faden von Glauben, und selbst der war mittlerweile fast bis zum Zerreißen gespannt.
Richard hatte sich mit einer Einladung verabschiedet, sozusagen. Dies las Adam zumindest zwischen den Zeilen: Falls sie es hier am Ufer des Großen Salzsees nicht schaffen sollten, konnten sie den anderen immer noch in die Stadt folgen, was natürlich ein wunderbarer Notfallplan war. Andererseits, wenn Phoenix recht hatte und die anderen alle sterben würden, gab es auch nichts, das in Salt Lake City auf sie warten würde. Und wenn es das war, wie sich die Ereignisse entwickeln sollten, dann sahen sie diesen anderen Teil ihrer Gruppe gerade zum letzten Mal, und ihre Bestimmung war der sichere Tod.
Adam hatte alles versucht, was er sich nur vorstellen konnte, um sie aufzuhalten, doch er hatte versagt. Vielleicht weil er einfach nicht die nötige Überzeugungskraft hatte. Er glaubte an Phoenix, an seine Visionen und an die Gunst des Schicksals, die ihnen auf ihrer langen Reise hierher widerfahren war. Aber dennoch hatte all das nicht gereicht, ihn vollends zu überzeugen, einen wahrhaft Gläubigen aus ihm zu machen, und wenn er selbst diesen
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