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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Für den Moment vergaß Lindsay, Evelyn weiter zu quälen.
    Ray war am schnellsten. Er kletterte als Erster auf die Straßenbarrikade und rutschte auf der anderen Seite hinunter, während die anderen in respektvollem Abstand folgten. Es war schon ein paar Tage her, dass die letzten Neuankömmlinge den Weg zu ihnen ins Lager gefunden hatten, und erst jetzt wurde ihnen bewusst, wie misstrauisch sie inzwischen gegenüber allem Fremden waren. All die Vorbereitungen auf die kommende Schlacht hatten ihre Grundhaltung weg von einer alle willkommen heißenden Gemeinschaft hin zu immer größer werdender Wachsamkeit, ja geradezu Misstrauen verändert.
    Evelyn erklomm die Straßensperre nach Phoenix und Missy, die jetzt nur noch händchenhaltend anzutreffen waren, Lindsay war links von ihr. Hinter ihr folgten April und Darren mit Jill und Mare als Nachhut. Als Evelyn oben angekommen war, sah sie eine Wolke aus Schnee, dann das herankommende Fahrzeug, das die weißen Schwaden wie eine Schleppe hinter sich herzog. Sie hielt sich die Hand über die Augen, um sie vor den peitschenden Schneeflocken zu schützen, und sah, wie das Führerhaus eines großen gelben Lastwagens langsam Konturen annahm. Es war braun verschmiert von einem Gemisch aus Eis und Straßendreck, die Windschutzscheibe fehlte ganz. Als er sie sah, legte der Fahrer eine Vollbremsung ein, woraufhin der Sattelanhänger zur Seite ausbrach und Schnee und Sand spritzend quer zum Stehen kam.
    Norman sprang von den Felsen herab, dicht gefolgt von Adam, der geradewegs auf die Fahrertür zuging, die sofort aufsprang und ihn beinahe von den Füßen gefegt hätte. Die dreckverschmierten Scheinwerfer starrten ausdruckslos auf den Rest der Gruppe, der gerade den Sandhaufen heruntergeschlittert kam.
    Der Fahrer des Trucks beugte sich nach rechts und hob etwas Großes und Schweres aus dem Beifahrersitz. Dann kletterte er mit dem seltsamen Bündel quer vor seiner Brust vom Führerhaus herunter. Zwei leblose Beine hingen neben seinem rechten Arm herab, ein Kopf baumelte schlaff über dem linken, regungslose Arme schleiften mit den Handrücken über den Schnee.
    Er sah noch einmal kurz über die Schulter, und hinter ihm hüpfte ein kleiner Junge hinunter in den Schnee.
    »Ich muss meine Frau beerdigen«, sagte der Mann, dann sank er auf die Knie. Von Schmerz überwältigt, presste er sein Gesicht an die Brust der Leiche und begann haltlos zu schluchzen.

XXIX
     
    SALT LAKE CITY
     
    Richard stand im vorderen Bereich der Lobby und bereitete sich darauf vor, eine Rede vor seinen Anhängern zu halten. Wie war es nur dazu gekommen, dass er derart die Kontrolle verloren hatte? Der Tod der Mutter des Jungen war ein notwendiges Opfer gewesen, eines, das er von Anfang an mit eingeplant hatte. Es war zwar weit früher dazu gekommen, als er gedacht hatte, aber auf diese Eventualität waren sie vorbereitet gewesen. Dem Rest der Gruppe war von Anfang an gesagt worden, dass sie auf den unteren beiden Stockwerken bleiben sollten, und sie hatten sich daran gehalten, aber die Schüsse mussten sie gehört haben. Andererseits wusste keiner von ihnen, in welcher Reihenfolge es zu den Tötungen gekommen war, also würden sie seiner Version mit Sicherheit Glauben schenken. Er und Garrett würden behaupten, dass Susan unter der ständigen Anspannung – demselben unmenschlichen Druck, dem jeder von ihnen ständig ausgesetzt war – zusammengebrochen sei und Peckham angegriffen habe. Als Sicherheitschef habe er selbstverständlich zunächst versucht, sie zu beruhigen, dabei aber den tatsächlichen Grad ihrer Verwirrung unterschätzt, und so sei es dazu gekommen, dass sie ihm das Gewehr entreißen konnte. Dann habe sie ihm in den Kopf geschossen. Die Beweise dafür seien schließlich überall deutlich zu erkennen. So weit, so gut, doch leider hatte Peckham ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte ihren Plan durchschaut, und in dem darauffolgenden Kampf mit Garrett war er genau in dem Moment vor das Fenster getreten, als sich der zweite Schuss löste, und hatte damit ein Dutzend potenzieller Zeugen – die Menschen unten auf dem Parkplatz – auf den Plan gerufen.
    Das war das erste große Problem, das sie irgendwie lösen mussten.
    Das zweite brachte die Version von Susans Tod, die sie sich ausgedacht hatten, mit sich. Eigentlich hatten sie vorgehabt zu behaupten, Garrett habe Susan, nachdem sie Peckham erschossen hatte, überwältigt, und bei dem Versuch, sie zu bändigen, habe sich

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