Sturm der Seelen: Roman
Wurzelteppich. Evelyn hatte Darren und Mare überreden können, ein Stück weiter den Strand hinunter noch einen solchen Ofen zu bauen, mit dem sie das Wasser aufheizen konnte, um ein paar der neuen Pflanzen dorthin umzupflanzen. Im Moment jedoch lag sie in der Höhle zusammengerollt unter einer Decke und versuchte, etwas Schlaf nachzuholen, nachdem sie sich die ganze letzte Nacht hier draußen um die Ohren geschlagen hatte.
Adam schlängelte sich durch das Labyrinth aus Holzpfählen hindurch bis zum Höhleneingang. Alles war so weit, wie es nur sein konnte – mehr würden sie nicht mehr schaffen. Ihre Verteidigungsanlagen waren, gelinde gesagt, primitiv, fast schon lächerlich, aber ihnen blieb keine Zeit mehr, wie Phoenix sagte.
Erleichtert ging Adam weiter und tauchte in den Gang, der ins Innere des Berges führte, dankbar, dem Blizzard wieder entronnen zu sein. Mit jedem Schritt wurde die Luft um ihn herum wärmer, das Eis bröckelte von seiner Jacke, und der Oberstoff begann bereits zu trocknen. Adams Augen brannten von dem krassen Schlafentzug, und sein Schädel dröhnte, aber er konnte nicht zulassen, dass seine körperlichen Empfindungen seinen Willen schwächten. Er würde bald genug Schlaf bekommen, aber jetzt zählten sie alle auf ihn – auf seine Kraft und seinen Mut, die er so schnell schwinden fühlte. Er war kein geborener Anführer. Er war Arzt, gesegnet mit der Fähigkeit, Menschen von ihren Leiden zu heilen, und mit genügend Mitgefühl, um diese Gabe auch einzusetzen. Die Army hatte zwar seine Ausbildung bezahlt, aber sie hatte keinen Soldaten aus ihm gemacht. Seine schlimmste Angst war nicht, dass er getötet werden könnte, wenn der Schwarm sich auf sie stürzte, sondern dass er es vielleicht nicht würde verhindern können, dass die anderen dieses Schicksal ereilte. Der bloße Gedanke daran war mehr, als er ertragen konnte.
Er bog um die letzte Kurve des Tunnels, den er mittlerweile in- und auswendig kannte, und sah den Lichtschein aus der dahinterliegenden Höhle. Norman und Gray standen auf der Felsklippe vor ihm und legten letzte Hand an ein grob zusammengezimmertes Gefährt, dem sie den bezeichnenden Namen »Letzte Zuflucht« gegeben hatten. Das Ding bot einen seltsamen Anblick: vorne eine glatte, aus Brettern zusammengenagelte Fläche, die aussah wie eine Scheunentür, aus der jede Menge lange Nägel ragten, dahinter die beiden Hinterräder von Evelyns Pick-up, der jetzt nutzlos draußen am Strand stand und nach und nach vom Schnee begraben wurde, versehen mit einer Griffkonstruktion wie bei einer Schubkarre, an der man das Ding in Bewegung versetzen konnte. Falls ihre äußeren Verteidigungsanlagen nicht standhalten sollten, würden sie zu dem Pueblo flüchten, dort die Schubkarre holen und mit ihr wieder zurück in den Tunnel rennen, die ersten der anstürmenden Reptilien damit aufspießen und das Gefährt dann mit den Felsbrocken, die sie auf die Karre geladen hatten, zu einer Art provisorischer Mauer im Tunnel verkeilen.
Was danach geschehen sollte, wusste keiner von ihnen. Der einzige Zugang zu ihrer Höhle wäre dann blockiert, und das Pueblo würde wohl zu ihrem Grab werden. Es gab zwar einen kleinen Durchlass in der Felsendecke, durch den der Rauch abziehen konnte, aber der war viel zu schmal, als dass einer von ihnen hindurchgepasst hätte. Alles um sie herum schien eine bestimmte Funktion in einem vorherbestimmten Plan zu erfüllen, und Adam hasste den Gedanken, der sich ihm aufdrängte, wenn er in diesem Zusammenhang an das Pueblo dachte. Es schien einzig und allein zu dem Zweck erbaut, längere Zeit darin zu wohnen. Allein die bloße Vorstellung war erdrückend.
»Irgendjemand hinter dir?«, fragte Norman.
»Ich glaube nicht«, erwiderte Adam.
»Ich geh und seh nach«, rief Gray und verschwand in dem Tunnel.
Norman sah Adam lächelnd an. Seine Augen waren blutunterlaufen, mit dicken, schwarzen Ringen darunter. »Wie fühlst du dich?«
»Gut«, erwiderte Adam und sah hinüber zum Feuer, wo die anderen lagen und schliefen.
»Na komm schon, du weißt, dass du mir nichts vormachen kannst.«
»Mir geht’s auch nicht schlechter als den anderen.«
»Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche. Du solltest zumindest versuchen, noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen, bevor wir …«
»Vor heute Nacht«, sagte Adam ernst.
»Ja.«
»Ich glaube, ich könnte nicht einmal schlafen, wenn ich es wollte.«
»Und ich könnte mir gut vorstellen, dass du eine ganz schöne
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