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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Tropfen, die da vor seinen Augen den Schnee schmolzen, bildeten eindeutig Buchstaben, zwei Wörter.
    Mit einem verächtlichen Schnauben verwischte Richard die Botschaft mit seinem Stiefel.
    »Wir verlieren zu viel Zeit«, sagte er, schob sich an Bruce vorbei und lief hinüber zu den Speedern.
    Bruce ließ sein Gewehr sinken. Er starrte auf den blutigen Schnee zu seinen Füßen, schaute noch einmal kurz zu Richard hinüber und folgte ihm schließlich. Nur einen winzigen Augenblick, bevor Richard daraufgetrampelt war, hatte Bruce geglaubt, zwei Worte im Schnee zu erkennen:
    Kehrt um .

XXXVI
     
    MORMON TEARS
     
    Adam stand, bis zu den Knien im Schnee versunken, am Strand und schaute nach Osten, wo irgendwo hinter den niedrig hängenden Wolken gerade die Sonne aufging. Auch wenn er sie nur als einen fast unsichtbaren hellgrauen Fleck wahrnehmen konnte, bot ihm der Anblick einen gewissen Trost. Sie hatten eine weitere Nacht überstanden. So vieles hatte er in seinem vorigen Leben als selbstverständlich hingenommen, so zum Beispiel auch den Sonnenaufgang an jedem Morgen. Nie hatte er dieses wichtige Naturereignis, von dem praktisch alles Leben auf der Erde abhing, entsprechend gewürdigt, und schon gleich gar nicht hatte er sich jemals gefragt, ob er vielleicht gerade zum letzten Mal Zeuge dieses Schauspiels wurde. Aber jetzt tat er es. Er schlang die Arme um seinen Brustkorb, um die Gänsehaut zu vertreiben, die sein Gedankengang ihm beschert hatte. Dann ging er zurück zu diesem Loch in den Felsen, das er jetzt sein Zuhause nannte, spürte die Schmerzen in seinem Rücken, die von dem Schlaf auf dem nackten Fels rührten – falls man das gelegentliche Augenschließen während der letzten Nacht tatsächlich so nennen konnte.
    Der Schutzwall, den sie errichtet hatten, erstreckte sich über die gesamte Länge des Strandes vor ihm. Er war nicht ganz so hoch, wie er selbst groß war, aber hoch genug, um sich dahinter zu verstecken. Die Spitzen der Holzspeere ragten noch etwas aus dem Schnee, würden aber hoffentlich bald ganz darunter verschwinden. Sie hatten sie einfach durch die Sandmauer gerammt und die stumpfen Enden auf der Rückseite ein Stück weit herausragen lassen. Wenn der Angriff kam, würden sie die bereitgelegten Bretter nehmen, über die stumpfen Enden legen und sich mit ihrem Körpergewicht dagegenstemmen, damit die Spitzen auf der anderen Seite der Mauer herauskamen und jeden aufspießten, der versuchte, darüber hinwegzuklettern. Alles andere als ein unfehlbarer Schlachtplan, aber er sollte auch nur dazu dienen, ihre Feinde aufzuhalten, während sie sich in die Höhle zurückzogen. In einem direkten Kampf hatten sie nicht die geringste Chance gegen den Schwarm. Alles, worauf sie hoffen konnten, war, das scheinbar Unvermeidliche möglichst lange hinauszuzögern.
    Adam kletterte über den Wall, vorsichtig darauf bedacht, keinen der Speere zu berühren, und rutschte auf der anderen Seite herunter. Zu seiner Linken türmten sich Sand und Schnee über den Truck, der kaum noch zu sehen war. Darüber erhob sich das wackelige Brettergerüst, das den Eindruck machte, als würde es jeden Moment von allein in sich zusammenstürzen, wären da nicht die kreuzförmigen Versteifungen hier und da. Kurioserweise machten die Hülle aus Schnee und Eis, mit der der Sturm es überzog, das Gerüst sogar noch stabiler; Adam fürchtete nur, dass es ihnen vielleicht nicht gelingen würde, es schnell genug zu entzünden.
    Dann fiel sein Blick auf die schmale Flammensäule, die sich aus dem rußgeschwärzten Loch im Deckel der Feuerstelle erhob. Sie hatten noch einiges an Kohle nachlegen müssen, aber inzwischen funktionierte Evelyns Konstruktion weit besser, als sie sich hätten träumen lassen. Man konnte zwar nicht gerade baden an der Stelle, aber die Rohre heizten das Wasser immerhin weit genug auf, dass sich kein Eis mehr darüber bildete, und es hatte sogar den Anschein, als wäre das Loch noch etwas größer geworden. Ein paar Meter dahinter mühten Lindsay und April sich damit ab, einen weiteren kleinen Wall vor ihrer Seetangzuchtstation zu errichten, was nicht nur ein weiteres Hindernis für die anrückenden Feinde bedeuten würde, sondern als Windschutz ebenfalls dazu beitrug, die offene Stelle im seichten Wasser eisfrei zu halten.
    Der Seetang hatte sich im Nu wieder erholt, die Blätter hellten sich von Braun zu einem kräftigen Oliv auf, und es sprossen sogar neue Pflanzen aus dem sich im Schlamm ausbreitenden

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