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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Überraschung erleben würdest. Der menschliche Körper ist ein wahres Wunderwerk, aber das brauche ich dir wohl kaum zu erklären, oder, Herr Doktor?«
    Adam lächelte, was die Müdigkeitsfalten in seinem Gesicht nur noch deutlicher hervortreten ließ.
    »Du bist ein guter Mann, Norman. Ich weiß nicht mal, ob ich mich jemals bei dir dafür bedankt habe, dass du mir das Leben gerettet hast …«
    »Zerbrich dir deshalb nicht den Kopf. Revanchier dich lieber entsprechend, wenn die Zeit dafür gekommen ist«, unterbrach Norman und zwinkerte ihm zu.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass sie oben bleiben sollen«, kam Grays Stimme zusammen mit dem Getrampel seiner Schritte aus dem Tunnel. »Dann wollen wir mal eine kleine Testfahrt machen.«
    Normans Augen leuchteten auf wie die eines Kindes, das sein neues Spielzeug zum ersten Mal ausprobieren darf, dann ging er dicht neben Gray gedrängt hinter dem Gefährt in Stellung, und beide umfassten die Griffe zum Anschieben.
    »Bei drei«, sagte Gray. »Eins, zwei …«
    Mit einem Stöhnen setzten sie sich in Bewegung, ganz langsam zunächst, nahmen dann aber immer schneller Fahrt auf und jagten mit beachtlicher Geschwindigkeit in den Tunnel hinein und um die erste Kurve herum, bis sich das Gefährt an der nächsten Biegung zwischen den Wänden verkeilte. Oben blieb ein etwa zwanzig Zentimeter breiter Spalt frei, doch passten sich die Seiten so perfekt in die Kontur der Felsen ein, dass sie beträchtliche Mühe hatten, ihren Rammbock wieder freizubekommen.
    Adam hörte noch, wie die beiden sich gegenseitig zu der geglückten Jungfernfahrt gratulierten, dann stieg er die steinernen Stufen hinab zur Feuerstelle. Die Augen fest auf Evelyn gerichtet, wünschte er sich nichts mehr, als ganz leise zu ihr unter die Decke zu kriechen und sich an sie zu kuscheln. Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht und wurden bei jedem Atemzug sanft angehoben. Adam kniete sich neben sie und strich ihr die Haare hinters Ohr. Sie war so wunderschön. So unglaublich. Er beugte sich nach vorn, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu hauchen, seine Lippen die zarte Haut kaum berührend …
    Hinter ihm brach ein Schrei aus der Kehle des kleinen Jungen, und Evelyn riss ruckartig den Kopf hoch, sodass ihre Stirn krachend gegen Adams Kinn schlug. Als sie sich umdrehten, sahen sie Jake aufrecht auf seiner Decke sitzen, die Augen so weit nach oben verdreht, dass nur noch das Weiß der Augäpfel zu sehen war.

XXXVII
     
    SALT LAKE CITY
     
    Garrett saß auf seinem Balkon und starrte hinaus auf das, was unter anderen Umständen der Anblick einer atemberaubenden Stadt gewesen wäre. Die Wolkenkratzer der Innenstadt sahen einfach fabelhaft aus vor dem Hintergrund der verschneiten Berge. Dazwischen konnte er die Kuppeln der erst vor wenigen Jahren für die Olympischen Winterspiele errichteten Sportstadien erkennen – eine wehmütige Erinnerung an bessere Zeiten -, Kirchen und Wohnhäuser, so weit das Auge reichte, dazwischen tief verschneite, freie Flächen, auf denen skelettierte Bäume Wache hielten über die Überreste des amerikanischen Traums. Er sah die Domizile, in denen einst Familien gelebt und einander geliebt hatten, wo sie sich die Zukunft erträumt und Geschichten über die Vergangenheit erzählten hatten. Wo sie vor dem Altar jenes Gottes niedergekniet waren, der sie in der Stunde ihrer größten Not im Stich gelassen und tatenlos zugesehen hatte, wie ihre aufgedunsenen, schwarzen Körper verrotteten, bis ihre sterblichen Überreste im Erdreich versickerten und sich vollends auflösten. Garrett konnte nur hoffen, dass ihre Seelen den Körper schon verlassen hatten, wenn der sicher äußerst schmerzhafte Prozess einsetzte, der die Leichen anschwellen ließ wie Würste in einem Kochtopf. Gehörte er zu denen, die verschont und eines Tages an die Seite ihres Schöpfers gerufen werden würden? Waren sie die Auserwählten, denen ein anderer Weg bestimmt war als den Verdammten?
    Er blickte hinauf in den düsteren Himmel, fand aber nirgendwo eine Antwort auf seine Frage. Keine leuchtenden Himmelspforten, keine göttliche Hand, die ihm einen Wink gab, dass alles gut werden würde.
    Eigentlich waren Garrett derlei Gedanken vollkommen fremd. Er hatte sein ganzes Leben einzig und allein nach seinen eigenen Regeln gelebt, nicht nach denen irgendeiner über ihm stehenden Macht. Wie kam es dann, dass er die Zerstörung einer Stadt betrauerte, die er nicht einmal kannte, und die Leben von Menschen beweinte, deren Wege den

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