Sturm der Seelen: Roman
ist der Zeitpunkt, an dem alles beginnt.«
»Hast du das in einer Vision gesehen?«
»Teile davon.«
Adam wartete, dass er ihm sagen würde, was er wusste, aber Phoenix blieb stumm, also fragte er nach: »Gibt es irgendwas, das du mir mitteilen willst?«
Phoenix’ Blick wanderte nervös zu Norman hinüber, dann sah er wieder Adam an. »Nein.«
»Na dann, vielen Dank auch, Kleiner«, erwiderte Adam und machte sich wieder auf den Weg in Richtung Tunnel. »War mir eine große Hilfe.«
»Es gibt Dinge, die ich dir nicht erzählen darf, sonst treffen sie nicht ein. Ich darf deine Entscheidungen – alle unsere Entscheidungen – nicht beeinflussen, wenn wir eine Chance haben wollen. Unser Erfolg hängt von kleinen, einzelnen Momenten ab, und wenn ich etwas darüber preisgebe, werden wir zögern, wenn es so weit ist, und dann verpassen wir den richtigen Moment.«
Adam ging weiter und versuchte, den Inhalt von Phoenix’ Worten zu verstehen. Sie ergaben durchaus Sinn, das stand außer Frage, aber die Vorstellung, blindlings seinem Schicksal entgegenzustolpern, gefiel ihm nicht, wenn es andererseits Informationen gab, die sich als von größter Wichtigkeit herausstellen konnten, zu denen er aber keinen Zugang hatte. Er wusste definitiv, dass etwas ihn da draußen erwartete, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, was.
Bereits schlotternd vor Kälte stapfte er hinaus in den Schnee. Er hatte den Strand kaum betreten, da sah er einen grellen Lichtschein am Horizont, der stetig größer wurde und dicke, schwarze Rauchwolken in den Himmel entsandte, bevor sie vom Sturm weggerissen wurden.
»O Gott«, stammelte er und spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Sofort musste er an das pure Entsetzen denken, das in Jills Augen gestanden hatte, als sie von ihrer Vision erzählte.
Eine Gestalt tauchte aus dem Schnee auf, ein Schatten, der durch den Sturm hindurch auf sie zukam. Was zunächst wie eine Art Wanderstab ausgesehen hatte, den sich der Mann mit einem Gurt über die Schulter gehängt hatte, stellte sich schnell als der Lauf eines Gewehrs heraus.
Am Rand der Eisfläche blieb die Erscheinung kurz stehen und inspizierte den Deich, den sie zu ihrer Verteidigung errichtet hatten, dann kletterte er daran hinauf und rutschte auf der anderen Seite zu ihnen herunter. Etwa zehn Schritte vor Adam, hinter dem sich mittlerweile alle versammelt hatten, blieb er schließlich stehen.
Adam blickte sich um und sah Norman, der nervös auf seiner Unterlippe herumkauend neben ihm stand.
»Wir sind wegen dem Jungen hier!«, rief der Mann so laut, dass seine Stimme von den Felsen hinter ihnen widerhallte.
»Ihr bekommt ihn nicht!«, brüllte Gray hinter Adam hervor, der besänftigend seine Hand hob.
»Wer sind Sie?«, fragte Adam in einem möglichst ruhigen Tonfall. Sein Blick sprang unterdessen ständig zwischen dem Mann und dem Feuer auf der Insel hin und her. Bei dem Gedanken an Jills Worte lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Brennendes Fleisch .
»Mein Name ist Bruce.« Der Mann kam mit langen Schritten so nahe heran, dass Adam ihn mit der ausgestreckten Hand hätte berühren können. »Ich bin hier, um euch eine letzte Chance zu geben, uns den Jungen auszuhändigen.«
Adam konnte kaum die Beine still halten, so stark war der Drang, sich vor der aggressiven Ausstrahlung dieses Mannes in Sicherheit zu bringen.
»Wenn du es nur wagst, dich dem Jungen …!«
»Gray!«, polterte Adam und schnitt ihm das Wort ab, bevor er seine Drohung zu Ende sprechen konnte. Er zwang sich, dem anderen Mann direkt in die Augen zu sehen, die umrahmt von dem Pelzrand seiner Kapuze aussahen wie die eines wilden Tieres. »Das Kind ist bei uns in Sicherheit. Seien Sie beruhigt, es wird ihm hier nichts geschehen.«
Bruce lachte. Es war ein polternder, kehliger Laut, der da aus seiner Kehle drang, abrupt unterbrochen, als er drohend die Zähne fletschte.
»Es scheint, dass ihr mich nicht richtig verstanden habt«, sagte er mit bohrendem Blick. »Ich bin nicht gekommen, um mich im Namen des Jugendamtes nach dem Befinden des Kleinen zu erkundigen. Wir nehmen den Jungen mit. Punkt.«
»Und falls wir uns weigern?«
»Ich persönlich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ihr das tut.« Er zupfte an dem Umhängegurt über seiner Brust. »Ich brenne nur so darauf herauszufinden, wie schnell ich dieses Ding hier nachladen kann.«
»Soll das eine Drohung sein?«, fragte Norman.
»Ich dachte, ich hätte mich klar genug
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