Sturm der Seelen: Roman
ausgedrückt.«
»Wenn Sie diese Waffe tatsächlich benutzen wollen, hätten Sie das schon längst tun können«, warf Adam ein. »Was wollen Sie wirklich von uns?«
»Ich habe Anweisungen, euch eine, und nur eine einzige Chance zu geben, den Jungen mit mir gehen zu lassen. Wenn ihr euch weigert, geben wir euch Zeit, die Bedingungen eurer Kapitulation auszuarbeiten, und ich kann euch versprechen, dass das Aushändigen des Kleinen eine davon sein wird. So oder so, wir bringen das Kind an einen Ort, wo ihr ihm nichts mehr tun könnt.«
»Ihm etwas tun?«, wiederholte Adam ungläubig. »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
»Halt dein dreckiges Maul!«, brüllte Bruce so laut und unvermittelt heraus, dass Adam zusammenzuckte. Richard hatte also recht mit dem, was er zu Bruce gesagt hatte: Sie alle zitterten vor ihm, sie hatten nackte Angst vor ihm, einem einzelnen Mann gegen sie alle. »Gehe ich also recht in der Annahme, dass ihr euch weigert, den Jungen freiwillig herauszugeben?«
Adam blickte sich noch einmal nach den anderen um, bevor er antwortete.
»Ja«, sagte er schließlich und schaute Bruce geradewegs in die Augen. »Der Junge geht nirgendwohin.«
»Gut«, erwiderte Bruce grinsend. »Ich hatte ja gehofft, dass wir’s auf die harte Tour machen.«
Adam blickte an Bruce vorbei auf das Feuer auf der Insel. »Und, was passiert jetzt als Nächstes?«
»Du kommst mit mir«, sagte Bruce. Er zog den Gurt über seinen Kopf und hielt sich das Gewehr vor die Brust. »Freiwillig oder mit Gewalt. Deine Entscheidung. Und ich bin sicher, du weißt, welche Möglichkeit mir lieber wäre.«
»Das Gewehr wird nicht nötig sein«, erwiderte Adam. »Wohin gehen wir?«
»Zu der Insel. Richard wartet bereits.«
»Den packen wir«, flüsterte Norman in Adams Ohr.
»Versucht’s nur«, knurrte Bruce, der das Gewehr schon entsichert und die erste Patrone eingelegt hatte.
»Lassen Sie die Waffe sinken, dann komme ich mit Ihnen.«
»Ich bin es, der hier die Forderungen stellt.«
»Aber er geht nicht allein«, meldete Gray sich wieder zu Wort und machte einen Schritt vor, während er mit der einen Hand versuchte, Jake zurückzuhalten, damit er ihm nicht hinterherlief.
Bruces Augen blitzten auf, als er Gray erkannte – das war genau der Mann, nach dem er gesucht hatte!
»Ist mir nur recht.«
»Ich komme auch mit«, sagte Lindsay. Sie wusste noch gut, wie Richard sie angesehen hatte, und auch wenn sie bei dem Gedanken an Richards Blicke regelrechte Panik verspürte, vielleicht konnte sie die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen.
»Ich auch«, schaltete sich Norman mit ein.
»Na klar, warum gehen wir nicht alle?«, knurrte Bruce. »Machen wir uns’nen schönen Tag. Packt noch den Picknickkorb ein.« Sein Gesicht glühte vor Zorn. »Ich nehme dich und dich mit«, sagte er und deutete dabei auf Adam und Lindsay. »Und du kannst drauf wetten, dass du auch dabei bist«, fügte er an Gray gewandt hinzu.
»Nein«, schrie Jake und kämpfte sich hinter Evelyn hervor, die sich an Grays Stelle vor ihn gestellt hatte. »Du darfst nicht gehen!«
Gray wirbelte herum und wäre beinahe umgefallen, als der Junge beide Arme um seine Beine schlang.
»Bitte, geh nicht!«, sagte Jake wimmernd. »Versprich es. Versprich, dass du nicht gehst.«
»Ist ja gut«, sagte Gray beschwichtigend und machte sich von dem Jungen los. »Ich habe dir doch versprochen, dass dir nichts passiert.«
»Aber du, du wirst nicht zurückkommen …«
»Ich bin wieder da, bevor du überhaupt merkst, dass ich weg war.« Tränen schimmerten in Grays Augen.
»Nein! Sie werden dich umbringen! Bitte, Gray … bitte.«
Evelyn und Jill legten dem Jungen eine Hand auf die Schulter, um ihn zurückzuhalten.
»Bringen wir’s hinter uns«, sagte Gray und ging auf Bruce zu, der mittlerweile nicht mehr wütend, sondern eher verwirrt aussah.
Bruce starrte den Jungen an, der jammernd im Schnee lag, während zwei Frauen neben ihm knieten und alle Mühe hatten, ihn zurückzuhalten. Etwas lief hier falsch. Er hatte vom Stockholm-Syndrom gehört, demzufolge es vorkommen kann, dass eine Geisel eine so starke emotionale Bindung zu ihren Entführern aufbaut, sie sogar zu unterstützen, aber Jake war doch noch ein kleiner Junge. Kinder ließen sich nicht durch idealistische Phrasen blenden, politische Zielsetzungen gingen ihnen komplett am Arsch vorbei. Sie waren von Natur aus egoistisch und ließen sich von nichts anderem als ihren Gefühlen leiten. Nachdem er mit angesehen
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