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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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anderen ab. Waren die letzten vierundzwanzig Jahre meines Lebens denn nur Zeitverschwendung? Ich hätte mir die Highschool schenken und stattdessen die ganze Zeit feiern sollen. Anstatt zur Army zu gehen, hätte ich in Las Vegas oder sonst wo leben und mir eine gute Zeit machen können. Keine Drill Sergeants, kein Kampftraining, kein Krieg. Ich hätte einfach Golf spielen und mir den Rest der Welt den Buckel runterrutschen lassen können, und jetzt kommst du und erzählst mir, mein ganzes Leben wäre stets nur darauf hinausgelaufen, eines Tages diese Axt zu schwingen, als wäre sie ein Golfschläger.«
    »Nein. Deine Aufgabe ist viel, viel wichtiger als das«, erwiderte Phoenix und ergriff mit einer vollkommen unbefangenen Geste Normans Hand. »Du bist auserwählt worden, uns alle zu retten. Nicht nur uns zwölf hier, sondern unsere ganze Rasse. Ich glaube, Golf spielen kann da nicht ganz mithalten. Außerdem, worin liegt denn der Unterschied, ob man jetzt eine Axt schwingt oder einen Golfschläger?«
    »Machst du etwa … hast du gerade einen Witz gemacht?«, fragte Norman und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Ich habe dich noch nie einen Witz reißen hören.«
    Phoenix wurde rot, dann überreichte er Norman das Beil. Norman starrte es nur an und wog ungläubig das verrostete Ding in seiner Hand.
    »Du meinst also, ich soll …?«
    Phoenix nickte.
    »Wie lange? Und wie weit?«
    »Du wirst wissen, wann du fertig bist«, sagte Phoenix. Die Leichtigkeit in seiner Stimme war mit einem Mal verschwunden.
    Norman probierte nur einmal aus, wie es sich anfühlte, das Beil durch die Luft sausen zu lassen, und schon protestierten seine Schultern, immer noch müde vom vielen Sandschaufeln beim Bau des Schutzwalls.
    »Du bist der Boss«, sagte er schließlich und legte sich das Beil über die Schulter, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie etwas anderes getan, als Holz zu hacken. Dann ging er hinüber zu ihrer Sandmauer.
    »Du bist ein guter Mensch, Norman!«, rief Phoenix ihm noch hinterher.
    »Erinnere mich dran, wenn ich zurückkomme und jemanden suche, an dem ich mich abreagieren kann.«
    Phoenix lächelte, aber seine Augen sahen dabei so traurig aus, dass Norman das Blut in den Adern gefror. Er nickte, dann machte er sich endgültig an seine Aufgabe, kletterte über den Hügel und rutschte auf der anderen Seite wieder hinunter, wobei er höllisch aufpasste, dass er ja nicht an einem der Speere hängen blieb. Er trat hinaus auf die Eisfläche, und der Sturm senkte sich über ihn. In dem immer dichter werdenden Schneetreiben konnte er kaum die Augen offen halten, aber er drehte sich noch einmal um, um einen Blick auf die Felswand und den gähnenden Schlund der Höhle zu werfen. Sollte dies vielleicht das letzte Mal sein, dass er sie sah? Der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken, und seine Beine versagten ihm einen Moment lang den Dienst, weigerten sich, ihn noch weiter von hier fortzutragen, hinaus in die unberührte Schneelandschaft.
    »Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr«, sagte er flüsternd zu sich selbst. Er begann ein namenloses Lied zu pfeifen, dann stapfte er los.
    Als er so weit gelaufen war, dass er das Ufer hinter sich nicht mehr sehen konnte, ließ er sich auf die Knie fallen. Den Strand zu seiner Linken, die Insel zu seiner Rechten, hob er das Beil über seinen Kopf und ließ es auf die Eisdecke hinabsausen, dass die Eissplitter sogar die dicke Schneedecke durchschlugen. Dann rutschte er ein Stück nach hinten und wiederholte das Ganze, wieder und wieder, bis er schließlich seine Jacke ausziehen und um die Hüfte binden musste. Ihm war heiß, jede Schicht seiner Kleidung tropfte nur so vor Schweiß.
    Der Wind fuhr durch ihn hindurch wie ein kaltes Messer, aber Norman lachte nur. Es fühlte sich wunderbar an, auch wenn das mit Sicherheit nicht so bleiben würde. Aber zumindest konnte er ohne die Jacke besser schwimmen, falls er durch das Eis brechen sollte.
    Norman wischte sich den Schweiß von der Stirn und begutachtete die Linie, die er in der Schneedecke hinterlassen hatte. Sie reichte mittlerweile fast so weit, wie er sehen konnte, und an einigen Stellen hatte der Wind sie bereits wieder zugeweht. Und genau das war es, was sie wollten.
    Er wechselte seinen Griff und hob das Beil, wieder und wieder und wieder …

XLV
     
    SALT LAKE CITY
     
    Der Jubel war ohrenbetäubend. Garrett hatte sich auf einen der Tische im Restaurant gestellt und saugte den Beifall in sich auf, er strahlte

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