Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Hundertschaft. Das war nicht weiter erstaunlich, vor allem angesichts der Verluste in den Reihen der Befehlshaber. Jedes Mal, wenn wir mit dem Feind aneinandergerieten, gab es genug Leute, die für immer im Feld blieben. Deshalb ist so ein militärischer Aufstieg eine normale Sache, solange du nur haust und stichst, dich vor der Kavallerie und den gepanzerten Fußsoldaten in Sicherheit bringst. Dann bist du morgens Soldat, mittags hast du das Kommando über eine Zehnerschaft, abends über eine Hundertschaft – und am nächsten Tag fütterst du die Würmer, während irgendjemand anders deinen Platz einnimmt.
Ebendas widerfuhr mir gerade. Ich war ständig an der Spitze eines Angriffs und tat, was ich am besten konnte, das, was ich im Sandoner Wald gelernt hatte: Ich tötete.
Einmal sollte ich zunächst nur mit fünfzig Mann die Straße neben einem Friedhof sichern. Am Ende war ich dann Befehlshaber der Nachhut, mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen von knapp hundert Mann unter mir, durch die Bank Bogenschützen, wenn auch unterschiedlich begabt.
Schon bald waren nur noch vierzig Mann von ihnen übrig – während unsere Armee auf gut achthundert Seelen geschrumpft war. Damit bildeten wir nur noch einen Tropfen im Meer – dem fünfzehntausend Feinde gegenüberstanden, wenn auch in mehrere Einheiten unterteilt.
Wir kämpften Tag und Nacht. Trotzdem war es ganz anders als damals im Sandoner Wald, denn Partisanenangriffe und Angriffe aus Gebüschen blieben aus. Im Großen und Ganzen entschieden hier Pfeile kaum etwas, meist endeten die Zusammenstöße in einem riesigen Handgemenge oder damit, dass man Nekromanten jagte. Es war ein neuer, unbekannter Krieg. Aber in ihm floss mehr Blut als in den Wäldern der Spitzohren.
Die Soldaten hatten ihren Hauptmann Iltis getauft. Er hatte uns Kommandeure in ein Haus hinter dem Dorfbrunnen bestellt. Ich stieß die morsche Tür mit der Schulter auf und trat zusammen mit Faulpelz und – natürlich – mit Yumi ein.
Man hatte bereits begonnen, die kommende Schlacht bei Regesh zu erörtern. Ich nickte Rando zu, den ich in den letzten vier Tagen nicht gesehen hatte, drückte zwei Männern, mit denen ich Seite an Seite gekämpft hatte, die Hand und setzte mich auf eine Bank. Yumi machte es sich neben meinen Füßen bequem. Als mich der Hauptmann sah, rief er mir sofort zu: »Grauer, ich habe eine Aufgabe für deine Jungs. Schnapp dir zwei Dutzend der besten Bogenschützen und besorgt euch einen stattlichen Vorrat an Pfeilen. Hinter dem Dorf gibt es einen Pfad. Einer der Bauern bringt euch hin. Dieser Pfad führt leider ebenfalls nach Regesh – und umgeht unsere Stellungen. Beobachtet ihn bis zur Nacht, dann könnt ihr abziehen. Bis dahin habe ich den Wald abgeriegelt. Mach dich sofort auf den Weg. Den Rest deiner Männer unterstellst du so lange Faulpelz.«
»Zwanzig sind zu wenig.«
»Euch werden noch drei Dutzend von Quellos Leuten begleiten.«
Das hörte sich schon anders an. Ein paar Schwertträger könnten nicht schaden, wenn es hart auf hart kam.
»Wer von uns beiden hat das Sagen?«, wollte ich wissen.
»Du. Hast du das gehört, Quello?«
»Ja, Mylord«, antwortete ein blutjunger Kerl mit bereits stark lädiertem Gesicht.
»Wahrscheinlich wird sich der Feind gar nicht blicken lassen, denn dieser Weg kostet viel Zeit. Aber ich will keine bösen Überraschungen auf der linken Flanke erleben, während wir vorrücken. Also, los mit euch.«
»Aus, du Hund?«, fragte Yumi, nachdem wir das Haus verlassen hatten.
»Wo wäre ich denn ohne dich!«, antwortete ich grinsend.
Der Pfad schlängelte sich zwischen zwei Wänden aus mächtigen Eichen entlang. Er lag offen vor mir, verschwand erst nach achtzig Yard hinter einem Bach im dichten Gesträuch. Die Späher hatten die nähere Umgebung erkundet und berichtet, hier sei schon lange niemand langgegangen. Es gebe nur Spuren von kleinen Tieren.
Der Schnee war alt, grau und blasig. Vor ein paar Tagen hatte es nachts noch einmal Frost gegeben, sodass er mit einer festen Kruste überzogen war. Wir brauchten mehrere Stunden, um zu dem Ort zu gelangen, an dem wir auf mögliche Feinde lauern wollten. Die Pferde mussten wir unter Aufsicht von zwei Dorfjungen auf einer kleinen Lichtung zurücklassen.
Drei Bogenschützen und vier Schwertträger schickte ich fünfzig Yard voraus. Sollte der Feind uns überwinden, würden sie ihn gebührend empfangen. Drei weitere Bogenschützen musste ich drangeben, damit sie dem Gegner
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