Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
ließen wir die Gletscher hinter uns, überlebten den Angriff eines hungrigen Irbis, kamen an dichtem Nadelwald vorbei und erreichten das Vorgebirge. Am nächsten Tag gelangten wir dann in ein kleines Dorf …
»Aus, du Hund!«
Yumi schob sich den letzten Happen in den Mund, schnappte sich einen Eiszapfen, benagte ihn und rannte hochzufrieden davon.
»Grauer, nach uns wird verlangt!«, teilte mir Faulpelz mit.
Den hochgewachsenen, grobgesichtigen Mann, der ein recht guter Menschenkenner war und sich hervorragend auf den Wind verstand, hatte ich schon bald zu meinem Stellvertreter ernannt.
»Nicht mal in Ruhe essen kann man hier«, brummte ich. »Was ist los?«
»Keine Ahnung … Aber ohne dich wollte ich da nicht auftauchen. Du solltest vielleicht … also, die anderen sind schon alle versammelt … vielleicht legst du einen Zahn zu?«
»Ich komm ja schon.«
Ich stellte die leere Schale ab, nahm den Bogen und folgte Faulpelz.
»Es geht das Gerücht, dass wir heute Nacht weitermüssen«, teilte dieser mir mit, während er einigen Nordländern zunickte, die um ein Lagerfeuer saßen.
»Kann ich mir nicht vorstellen«, widersprach ich. »Ein Nachtmarsch würde uns den Rest geben, das riskiert der alte Iltis bestimmt nicht. Nein, wenn wir morgen in aller Früh aufbrechen, sind wir spätabends immer noch in Halward. Damit hätten wir Zeit, uns auszuschlafen.«
»Als ob das etwas ändern würde«, murmelte Faulpelz. »Angeblich geht es im Südosten heiß her. Die Regimenter sind schon auf die Hälfte zusammengeschrumpft und können den Verdammten kaum noch Widerstand leisten.«
Angeblich!
Was für Gerüchte ich mir bereits hatte anhören müssen, seit ich mich der Armee angeschlossen hatte. Der Mangel an abgesicherten Berichten führte dazu, dass die Soldaten mitunter ein tolles Garn zusammenspannen. Wenn an einem Krieg dann noch Funkenträger beteiligt sind, darf man mit Überraschungen bis zum dorthinaus rechnen – und nicht immer sind es die angenehmsten.
Ließ man den größten Unfug außer Acht, gestaltete sich die Situation etwa wie folgt:
Die Truppen des Imperiums hatten sich über den Winter gut an der Linie zwischen den Städten gegenüber dem Ausgang der Treppe des Gehenkten gehalten. Hier waren Kräfte aus dem ganzen Norden zusammengezogen worden, während an der Grenze zu Morassien nur noch wenige Regimenter stationiert waren.
Die Verdammten hatten noch vor Beginn des Frühlings angegriffen – in der Hoffnung, unsere Männer damit zu überrumpeln.
Das war ihnen jedoch, Meloth sei gepriesen, nicht gelungen.
Daraufhin war an der ganzen Front ein Gemetzel losgebrochen. Die Verdammten Scharlach, Blatter und Pest griffen aus drei unterschiedlichen Richtungen an, jeder von ihnen mit einer ganzen Armee im Schlepptau.
Trotz der todbringenden Magie der Verdammten und der Nekromanten konnten die Schreitenden die Stellung – wenn auch mit Mühe – anderthalb Wochen halten. In dieser Zeit hatten wir einen Teil der Kräfte abgezogen und sie an die nächste Verteidigungslinie verlagert.
Irgendwann gelang es dem Verdammten Pest dann aber doch, die Front zu durchbrechen, unsere Truppen zu zerschlagen und anschließend mit einem schnellen Manöver unseren anderen Einheiten in den Rücken zu fallen. Immerhin schaffte es die Armee des Imperiums, sich zurückzuziehen, sich neu zu formieren und den Widerstand anschließend wieder aufzunehmen.
Scharlach war im Westen erfolgreich gewesen und befand sich nun auf dem Weg nach Bragun-San. Von dort aus führte eine Straße nach Burg Donnerhauer und zu den Handelsstädten an der Grenze zu Morassien, woher das Land Hilfe erhielt. Pest wiederum zog inzwischen mit dem größten Teil der Streitkräfte der Verdammten gegen Korunn, während Blatter nach Nordwesten vordrang, um von Süden zum Schlag gegen die Hauptstadt anzusetzen und diese zusammen mit Pest in die Zange zu nehmen.
Aus dem Süden trafen kaum Nachrichten ein. Wir wussten nur, dass Gash-shaku gefallen war, Alsgara sich aber noch hielt.
Die Soldaten hatten bereits von dem Tod der Verdammten Lepra und Schwindsucht gehört. Zu meinem Glück ahnte jedoch niemand, wer Letzteren ins Reich der Tiefe geschickt hatte. Die Menschen brauchen natürlich Helden – aber ich riss mich wahrlich nicht um diese Rolle. Einmal, im Sandoner Wald, hatte ich schon eine Heldentat vollbracht und ein paar Leute gerettet – wofür ich dann am Galgen baumeln sollte. Ein zweites Mal würde ich keine überflüssige
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