Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Aufmerksamkeit auf mich lenken.
Es reichte, dass ich, der ich mir geschworen hatte, nie wieder zu kämpfen, erneut den Soldaten spielte …
Schade, dass Shen das nicht mehr erlebte. Wahrscheinlich hätte er in Erinnerung an all unsere Gespräche über Pflicht, Treue und Vaterland ordentlich gefeixt. Allerdings hatte auch ich mir ein bitteres Lachen nicht verkneifen können, als ich wieder in die Armee eingetreten war. Was mich zu diesem Schritt bewogen hatte, wüsste ich nicht zu sagen. Wahrscheinlich das Reich der Tiefe selbst …
Bedauern tat ich ihn allerdings nicht. In den Kämpfen konnte ich immerhin meine Wut auslassen. Außerdem hatte ich jetzt wirklich nichts mehr zu verlieren. Obendrein böte mir der Krieg womöglich Gelegenheit, die Verdammten wiederzusehen – und ich brannte noch immer darauf, Scharlach und Blatter gegenüberzustehen und mit ihnen abzurechnen.
Mylord Rando und ich dienten im gleichen Regiment. Unsere Feuertaufe erlebten wir, als unsere Nachhut die Brücke über einen namenlosen Fluss auseinandernahm, während die Hauptmacht nach Osten zog, zu den Hochebenen und dichten Wäldern.
Der Kampf war recht
spaßig.
Mein Blut kochte. Die Vorhut der Sdisser wurde von leichter Reiterei und Untoten gebildet. Sie heizten uns ein paar Stunden lang gewaltig ein. Zwischendurch fürchtete ich schon, unser Ende sei nah. Dann aber gelang es uns doch, die Brücke zu zerstören und abzuhauen, indem wir alle Pfeile, die wir noch hatten, verschossen.
Yumi war mein ständiger Begleiter, wich mir nie von der Seite, fiepte in einem fort was von seinem Hund und trat allen Gegnern mit einer Miene entgegen, als wolle er sie auf der Stelle fressen. Die anderen aus unserer Einheit hatten ihn ziemlich herablassend behandelt – bis der Waiya irgendwann einen Nekromanten mit einer seiner vergifteten Nadeln erledigte. Danach wurde das
Eichhörnchen
mit allen Ehren in die Armee aufgenommen.
Nach dieser kleinen Auseinandersetzung kam der Kommandeur der Nachhut bei der ersten Rast zu mir, kaum dass wir von den Pferden gestiegen waren.
»Wo hast du früher gekämpft?«, fragte er.
»Im Sandoner Wald, bei den Maiburger Schützen.«
Unter Soldaten war das immer eine gute Empfehlung, denn diese Einheit diente allen Bogenschützen des Imperiums als Vorbild. Am nächsten Tag wurde mir eine Zehnerschaft unterstellt – obwohl ich mich wahrlich nicht um dieses ehrenvolle Amt gerissen hatte.
Wir marschierten jeden Tag ein Stück, formierten uns neu und bestritten die nächste hoffnungslose Schlacht. Und jeden Tag verloren wir Männer. Trotzdem bewegten wir uns unaufhörlich nach Nordwesten, ließen wir die Berge immer weiter hinter uns. Dabei kamen wir durch zahllose Städte und Dörfer, an deren Namen ich mich nicht einmal mehr erinnere. Scharlachs Armee setzte uns die ganze Zeit über gnadenlos nach.
Obwohl auch die Nabatorer jeden Sieg mit zahllosen Leben bezahlen mussten, ließ die Wucht ihres Angriffs keineswegs nach. Am Ende rissen sie unsere Kräfte in zwei Teile auseinander, indem sie einen Keil aus schwerer Reiterei zwischen uns trieben und diese Spaltung mithilfe der Ascheseelen ausbauten.
Daraufhin wich unser Regiment zusammen mit der einen Hälfte zur Straße nach Regesh zurück, der größten Stadt in der Nähe der Vorgebirge.
Durch den Krieg hatten wir die Gruppe um Ga-nor nicht wiedertreffen können, denn die Stadt, in der wir uns eigentlich hätten begegnen müssen, befand sich jetzt in Feindeshand. Ich machte mir Sorgen, da Typhus immer noch bei ihnen war. Weiß das Reich der Tiefe, auf was für Ideen sie verfiel. Ob sie die anderen tötete oder verriet. Diese Menschen bedeuteten ihr schließlich nichts – und an ihr gutes Herz glaubte ich nun wirklich nicht.
Ich schlief, aß, gab meine Befehle, kämpfte, schmetterte einen Angriff ab, tötete, floh, fiel vor Müdigkeit fast um, nickte – wann immer möglich – im Sattel ein, schlief wieder und versuchte, auch weiterhin zu überleben und zu töten. Die Tage verschmolzen zu einem endlosen Marsch, zu einer hastigen Flucht, zu einer einzigen Kette von Kämpfen und Schlachten. Das Glück war mir hold, sodass ich den Krieg bisher gesund und unverletzt überstanden hatte. Vielleicht hielt ja irgendwer seine schützende Hand über mich … Denn selbst als uns einmal Nekromanten zusetzten und nur jeder Zehnte von uns überlebte, hatte ich nicht einen Kratzer davongetragen.
Drei Wochen nach meinem Eintritt in die Armee unterstand mir bereits eine
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